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Ära Peters des Großen (1689-1730)

Die Welthandelskonzeption Peters I.

Seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts lag die russische Außenpolitik allein in den Händen des Zaren. Der seit 1689 allein regierende Peter I. wollte nun den Handel an der Ostsee, am Schwarzen und Kaspischen Meer unter seine Kontrolle zu bekommen und über das russische Kernland miteinander verbinden. Dadurch wäre der Handel zwischen Westeuropa und Asien über Russland gelenkt worden und wäre das Zarenreich zur Drehscheibe des Welthandels geworden. Für das Gelingen des Unterfangens musste freilich erst noch die Macht Osmanischen Reiches, Schwedens und Persiens an den drei Binnenmeerengebrochen werden. Den Anfang machte Peter I., als er der Türkei 1695 die Stadt Asow entriss und Russland damit einen Zugang zum Schwarzen Meer sicherte. Danach wandte sich der Zar dem an der Ostsee mächtigen Schweden zu und verbündete sich 1699 mit dessen alten Rivalen Dänemark und Polen-Litauen.

Der Große Nordische Krieg

Der Angriff der Verbündeten auf das schwedische Reich erfolgte 1700, war aber schlecht koordiniert. So gelang es Schwedens König Karl XII., seine Kräfte gegen jeweils einen Gegner zu konzentrieren. Dänemark war bereits im Sommer besiegt. Es folgte im November der Triumph von Narwa über Russland. Mitte 1701 wurde der König Polen-Litauens, August II., bei Riga geschlagen. Der litauische Adel lief zuden Schweden über. Der Weg in das russische und polnische Kernland war damit frei. Da eine Invasion des ersteren aber als schwer gangbar galt, wandte sich Karl XII. Polen zu.

1702 fielen die beiden Hauptstädte Polens, Warschau und Krakau, in schwedische Hände. Im Folgejahr wurde der mit Karl XII. verbündete Stanislaus Leszczynski zum polnischen König proklamiert. Russland, das in der Zwischenzeit das nur schwach gesicherte Ingermanland, Estland und Livland ohne Reval und Riga erobert hatte, griff erst Ende 1705 in Polen-Litauen ein. Das russische Heer wurde aber bei Grodno schwer geschlagen. Danach wandten sich die Schweden abermals August II. zu und besetzten 1706 dessen Stammland Kursachsen. Im Altranstädter Frieden zwangen sie ihn zur Kapitulation.

Nun sprach alles dafür, dass die Schweden die Russen aus den von ihnen besetzten baltischen Provinzen vertreiben würden. Um wenigstens das 1703 gegründete St. Petersburg behalten zu können, bat Peter I. um Frieden nach. Dieser wurde von Karl XII. abgelehnt. Er sah keinen Grund, dem Zarenreich einen Ostseehafen zu überlassen.  Statt sich nun aber dem Baltikum zuzuwenden, rückten die Schweden von Leipzig kommend seit September 1707 durch Polen-Litauen auf Moskau vor. Die russische Armee zog sich vor ihnen bis hinter Smolensk zurück und hinterließ verbrannte Erde. Dies zwang Karl XII. im Herbst 1708, in die Ukraine abzuschwenken.

Poltawa

Doch auch diese war von russischen Truppen verwüstet worden. Das schwedische Heer fand hier keine Nahrungsmittel vor und litt im Winter 1708/09 entsprechend Hunger. Damit sank auch seine Kampfkraft. Nun wäre ein Rückzug über den Dnjepr nach Polen-Litauen möglich gewesen. Doch Karl XII. hielt an seinem Plan fest, nach Moskau zu marschieren. Dies gab der russischen Führung die Möglichkeit, sein geschwächtes Heer unter günstigen Bedingungen zur Schlacht zu stellen. Tatsächlich hatte sich das russische Heer während des Winters aus der getreidereichen Wolga-Region versorgen könne. So befand es sich Anfang 1709 in einem auch qualitativ besseren Zustand als die schwedische Armee. In der Mitte 1709 folgenden Schlacht von Poltawa errangen die Russen dann einen überwältigenden Sieg, Karl XII. floh in das Osmanische Reich.

Schweden konnte den Verlust seines Feldheeres nicht kompensieren und sah sich zum Rückzug aus Riga, Reval und Polen-Litauen genötigt. In die verlassenen Positionen rückten die Streitkräfte des Zaren nach. Ihm waren nun weitausholende Schläge gegen das schwedische Ostseereich möglich. Folglich ging es Peter I. nun nicht nur um den Erhalt von St. Petersburg, sondern um den Gewinn der Vorherrschaft an der Ostsee. Diese erschien umso dringender, als da Asow 1711 nach kurzem Krieg wieder an die Türkei verloren gegangen war.

Russische Offensive

Erstes Ziel war es nun, die Flussmündungen an der östlichen und südlichen Ostseeküste unter Kontrolle zu bekommen. Auch wollte sich die russische Führung an den Ausgang der Ostsee in den Ozean, dem Sund, heran arbeiten.1710 wurde August II. wieder als König Polen-Litauens eingesetzt. Die eigentliche Macht lag hier aber bei Peter I. 1711 eroberten russische Truppen Stettin und 1713/14 Finnland. Hierbei wurde 1714 die schwedische Flotte bei Hangö vernichtet, so dass die russische Flotte auch die offene See beherrschte. In der Folge kapitulierten 1715 Stralsund und Wismar. Letzteres sollte nach dem Willen des Zaren zu einem Warenumschlagplatz von Weltrang aufsteigen. Dazu sollte die Ostsee durch einen Kanal mit Elbe und Nordsee verbunden werden.

Bereits 1714 war Preußen gegen Zusage der Übergabe Stettins als Verbündeter gegen Schweden gewonnen worden. Zeitgleich baute Russland mittels Heiratsprojekten und Truppenstationierungsverträgen Kurland, Mecklenburg und Holstein-Gottorf zu strategischen Stützpfeilern aus. 1716 schien dann Schweden aufgrund der drohenden Invasion seines Kernlandes zum Frieden bereit. Der 1714 aus dem türkischen Exil zurückgekehrte Karl XII. forderte für diesen aber russische Unterstützung beim Erwerb Norwegens von Dänemark. Nach seinem Tod 1718 wurden die Sondierungen allerdings ergebnislos abgebrochen.

Europäische Intervention

Die nun drohende russische Ostseeherrschaft rief den entschiedenen Widerstand Großbritanniens hervor: Es fürchtete um seine zentrale Rolle im Welthandel. London wollte sowohl die Invasion Schwedens verhindern sowie die russische Militärpräsenz in Polen-Litauen beenden. Es folgte ein Bündnis mit Frankreich, Österreich und den Niederlanden. Zudem gelang es den Briten, die Vebründeten Russlands zum Frieden mit Schweden zu bewegen: Noch 1719 schlossen Kursachsen, Kurhannover und Preußen Frieden mit Stockholm. Dieses verlor die Mündungen von Elbe, Weser und Oder. Dänemark verständigte sich 1720 unter Ausklammerung der Gottorf´schen Frage mit Schweden.

Eine Allianz gegen Russland

Nach diesem Erfolg bemühte sich Großbritannien, die Ostseeanrainer zu einem Bündnis gegen Russland zusammenzufassen. Auch sollten Österreich und das Osmanische Reich zum Kriegseintritt gegen Peter I. gedrängt werden. Diese diplomatischen Schritte weckten aber an den europäischen Höfen Befürchtungen bezüglich einer möglichen britischen Vorherrschaft im Ostseeraum. Sie wollten das Zarenreich als Gegengewicht zu London erhalten. London sah sich so gezwungen,  seine Roll-back-Politik 1720 aufzugeben. Auch stimmte es der Umwandlung Schwedens in einen dezentralen Staat zu. Russland wiederum war durch den langen Krieg finanziell auf das Äußerste beansprucht worden und wünschte zur wirtschaftlichen Erholung den Frieden.

Der Frieden von Nystad und Krise um Polen

Damit war der Weg zum Nystader Frieden von 1721 frei: Zwar blieb Russland aufgrund der europäischen Intervention die Vorherrschaft an der Ostsee verwehrt. Dafür erhielt es durch den Gewinn Ingermanlands, Estlands, Livlands sowie Teilen Kareliens einen breiten Zugangs zum Baltischen Meer. Diesen nutzte das Zarenreich, um in der Folge den für die Staatskasse sehr ergiebigen Handel mit Westeuropa zu forcieren. Der Ostseezugang musste durch die Außensteuerung Polen-Litauens und Schwedens strategisch abgesischert werden. Hier trat nun Frankreich als großer Gegner des Zarenreiches auf. Zum ersten Zusammenstoß kam es 1723, als August II. scheinbar im Sterben lag und um seine Nachfolge ein diplomatischer Streit entbrannte. Dieser verschärfte sich durch die Tatsache, dass Russland die Rechte der konfessionellen Minderheiten in Polen-Litauen möglichst großzügig ausgestalten wollte, um die dortige verfassungsrechtliche Anarchie zu erhalten. Anfang 1725 starb Peter I. aber, während sich August II. wieder erholte. Die Polenkrise löste sich auf.

Russischer Druck auf Dänemark

Die Situation in Polen-Litauen als einigermaßen stabil einschätzend, präferierte Peters I. Nachfolgerin Katharina I. nun ein Vorgehen gegen Dänemark. Sie wollte Kopenhagen zwingen, den Sundzoll für russische Schiffe abzuschaffen. Anfang 1726 kreuzte eine russische Flotte in Nähe der Ostseeausgänge, rief damit aber eine Intervention Frankreichs und Großbritanniens hervor. Beide wollte nicht zulassen, dass sich Russland dort festsetzte.Das Zarenreich seinerseits schloss im Februar 1726 ein Defensivbündnis mit Schweden, indem Stockholm Schleswig als Teil der russischen Einflusszone anerkannte. Österreich und Spanien schlossen sich an.

Die Stuart-Affäre

Die ungeregelte Erbfolgefrage Großbritanniens gab St. Petersburg die Möglichkeit, gegen London vorzugehen. Hier beanspruchten die 1688 gestürzten katholischen Stuarts weiterhin den Thron für sich. Um Russland für ein Unternehmen gegen das regierende Haus Hannover zu gewinnen, waren sie bereit, die Stärkung des zaristischen Einflusses auf Schweden hinzunehmen. Im Gegenzug sollten russische Schiffe österreichische Truppen in Großbritannien anlanden. London entsandte daraufhin ein Flottengeschwader in die Ostsee, das sich aber wieder aufgrund maritimer russischer Überlegenheit von dort zurückzog. Nun trat Preußen dem russisch-österreichischen Bündnis bei. Die drei Parteien einigten sich darauf, Polen-Litauen in seinem schwachen Zustand zu belassen und sich der Abschaffung des Wahlkönigtums zu widersetzen. Die Krise mit den Westmächten löste sich schließlich auf, als Österreich sich ihnen wieder annäherte und die Landung in England damit obsolet wurde. Russland indessen verlängerte 1729 und 1730 sein Bündnis mit Preußen.

Persien

Bereits unter Peter I. hatte sich Russland nach seinem Sieg über Schweden Persien und dem Kaspischen Meer zugewandt. Eine Expedition hatte schon 1714 die hier nach Indien führenden Handelswege erforscht. 1717 war ein Handelsvertrag mit dem Schah abgeschlossen worden. Als dieser sich aber weigerte, Rohseide von der West- und Südküste des Kaspischen Meeres über Russland nach Europa zu exportieren, griff der Zar auch hier zur Gewalt. Er brachte die strittigen Gebiete 1722/23 an sich.

China

Mit dem Ziel, die führende Macht im transkontinentalen Handel zu werden, hatte sich Russland seit Ende des 17. Jahrhunderts auch um intensive Handelsbeziehungen zu China bemüht. So war 1693 ein staatliches Karawanensystem nach dem Reich der Mitte eingerichtet worden. Dieses schlief infolge von Grenzstreitigkeiten aber in den beiden ersten Dekaden des 18. Jahrhunderts wieder ein. Ein langfristig stabiler, allerdings auf zwei Grenzorte beschränkter Warenaustausch etablierte sich erst, als die politischen Konflikte 1727 beigelegt wurden. In ihm wurden schon bald private Händler führend, da die von ihnen gezahlten Steuern und Zölle der russischen Staatskasse mehr Einnahmen verschafften als der Staatshandel.

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