Der Türkenkrieg von 1768
Nach der Konsolidierung seines Einflusses im Ostseeraum wollte Russland den Handel auf dem Schwarzen Meer und jenen im östlichen Mittelmeer an sich zu reißen. Dazu sollte das Osmanische Reich in ein Protektorat umgewandelt werden. Die Initiative für den 1768 ausgebrochenen Krieg ging dann aber von der Pforte aus: Diese war von Frankreich und Österreich, welche, auf die Revision der politischen Verhältnisse in Polen-Litauen hofften, zur militärischen Unterstützung der „Konföderation von Bar“ gedrängt worden. Als diese mit einem Fehlschlag endete, ging Russland ab 1769 zum Angriff auf das türkische Herzland über.
Im Herbst des Jahres besetzte ein zaristisches Heer Asow, die Moldau und Walachei. Zeitgleich drang die russische Ostseeflotte in die Levante ein und rieb im Juli 1770 die osmanische Marine vor Cesme auf. In den folgenden Monaten wurden die nahe der Donaumündung gelegenen osmanischen Festungen Bender, Akkerman, Braila und Ismail eingenommen. Die Krim fiel im Sommer 1772, ein Jahr später folgte die Dobrudscha. Als auch noch in Syrien und Ägypten Aufstände gegen die türkische Herrschaft begannen, schien das Reich des Sultans vor dem Zusammenbruch zu stehen.
Eine Koalition gegen Russland
Die russischen Erfolge riefen die europäischen Großmächte auf den Plan. Frankreich sah seinen Orienthandel bedroht und Österreich seine Interessen in den Donaufürstentümern. Gemeinsam begannen sie, das Osmanische Reich zu stützen. Auch versuchten sie Schweden zu einem neuerlichen Krieg gegen Russland zu bewegen. Letzterem konnte das Zarenreich anders als in der Vergangenheit nicht durch eine erfolgreiche Diplomatie begegnen. Großbritannien und Preußen verweigerten sich einem Bündnis und hielten Dänemark davon ab, Stockholm in den Rücken zu fallen: London wollte eine Stärkung der russischen Position an der Levante verhindern, Berlin sich hingegen aus der Abhängigkeit von St. Petersburg befreien.
So kam es zu einer preußisch-österreichischen Kooperation bezüglich Polen-Litauens, wo Westpreußen und Galizien besetzt wurden. Zusätzlich ließ Wien in Siebenbürgen und damit im Rücken der russischen Donauarmee 60.000 Mann aufmarschieren. Derart unter Druck gesetzt, sah sich Katharina II. gezwungen, auf die Annexion der Moldau und Walachei zu verzichten. Auch musste sie Preußen und Österreich für die zu erwartenden russischen Gewinne am Schwarzen Meer mit polnisch-litauischen Gebieten entschädigen: In der Ersten Teilung Polens erhielten Berlin und Wien die von ihnen besetzt gehaltenen Territorien auch staatsrechtlich zugewiesen.
Der Frieden von Kücük Kaynarca
In Anbetracht der Schweden gegenüber exponierten Hauptstadt und um einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich sowie Großbritannien auszuweichen, gab sich die Zarin mit dem militärisch Erreichten zufrieden. Sie schloss mit der Pforte im Juli 1774 in Kücük Kaynarca einen günstigen Frieden. Das Zarenreich erhielt zwar nicht das Protektorat über das Osmanische Reich, wohl aber dasjenige über die nördliche Schwarzmeerküste. Damit gewann es am Dnjepr mit Cherson und am Don mit Asow wichtige kommerziell genutzte Häfen. Eine größere Kriegs- und Handelsflotte auf dem Schwarzen Meer konnte das Zarenreich aber erst nach der im April 1783 erfolgten Annexion der Krim unterhalten.
Es hatte sich gezeigt, dass die Liquidierung der Türkei aufgrund der Haltung der anderen europäischen Großmächte militärisch nicht möglich war. Auch war die russische Position an der Ostsee durch die orientalische Expansion erodiert. St. Petersburg war vorübergehend nicht mehr in der Lage gewesen, fremden Einfluss von Polen-Litauen und Schweden fernzuhalten. Da Katharina II. weiterhin dem Osmanischen Reich die Priorität zubilligte, mussten sie die Adelsrepublik betreffenden Fragen künftig im Zusammengehen mit Preußen und Österreich lösen.
„Griechisches Projekt“
Im Januar 1784 stimmte die Türkei der Eingliederung der nördlichen Schwarzmeerküste in das Russische Reich zu. Als Entschädigung erhielt sie das Gebiet zwischen Bug und Dnjestr zurück. Dieser Schritt konnte indessen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Osmanische Reich in der Annexion eine existenzielle Gefahr für sich erblickte. So konnte Russland Konstantinopel nun von der Seeseite her angreifen. Die Sorgen waren nicht unbegründet, denn Katharina II. nahm das Ziel der Zerschlagung des Osmanischen Reiches schon bald wieder auf: Die Donaufürstentümer sollten zu einem russischen Vasallen namens „Dakien“ vereinigt, Bulgarien, Mazedonien, Thrakien sowie Griechenland hingegen zu einem neo-byzantinischen Kaiserreich unter Ägide der Romanow-Dynastie zusammengefasst werden.
Um nicht erneut deren Eingreifen hervorzurufen, sollte Österreich den westlichen Balkan, Frankreich hingegen Ägypten als Kompensation erhalten. Im Falle der Hofburg war dem russischen Ansinnen Erfolg beschieden. Im Mai 1781 schloss diese mit dem Zarenhof ein entsprechendes Arrangement. Die Notwendigkeit einer Übereinkunft mit Frankreich erledigte sich von selbst. Das Land fiel aufgrund seiner vorrevolutionären Unruhen einstweilen als internationaler Faktor aus. Vor diesem Hintergrund riss die Serie von Konflikten zwischen der Pforte und dem Zarenreich nicht mehr ab. In den Donaufürstentümern nahm Russland Einfluss auf die dortige Fürstenwahl und seine Konsuln traten in Ägypten und Griechenland anmaßend auf. Als dann die Zarin auch noch die Krim bereiste und sich dabei mit dem österreichischen Kaiser Joseph II. traf, war für die Türkei das erträgliche Maß überschritten: Im September 1787 erklärte sie St. Petersburg den Krieg.
Der Türkenkrieg von 1787
Russland wurde von der Kriegserklärung überrascht und war erst 1788 zu militärischen Offensiven in der Lage: Im Sommer besetzten seine Verbände die Moldau und stürmten im Dezember Otschakow. Damit gelang die endgültige Sicherung der Dnjepr-Mündung. Der Sommer 1789 sah dann russische Siege in den Schlachten bei Focsani und am Rymnik in der Moldau, welche bis Jahresende zur Besetzung Akkermans, Benders und der Walachei führten. Auch zur See stellten sich Siege ein: Im August 1790 wurde die osmanische Flotte bei Varna, einen Monat später an der Dnjepr-Mündung besiegt. Auch fielen nun Kilia und Ismail an der Donaumündung. Der Weg in die Dobrudscha war damit frei.
Die zweite Koalition gegen Russland
Wie im vergangenen Krieg wollten Großbritannien und Preußen eine Stärkung der russischen Macht im Orient verhindern. So schlossen sie im Juli 1788 eine gegen das Zarenreich gerichtete Defensivallianz und ermutigten Schweden zum Kriegseintritt gegen Russland. Dieser erfolgte noch im selben Monat und hatte zum Ziel, dem zaristischen Einfluss auf Stockholm dauerhaft auszuschalten. Bald darauf trat der Sejm mit dem erklärten Ziel zusammen, Polen-Litauen nach zentralistischen Gesichtspunkten zu reformieren und die militärische Präsenz russischer Truppen zu beenden.
Im März 1790 folgte dann ein Bündnis Warschaus mit Berlin, welches dieses zum Schutz der Adelsrepublik vor Russland verpflichtete. Auch eine zwei Monate zuvor geschlossene Allianz mit dem Osmanischen Reich sah den preußischen Kriegseintritt gegen Russland und Österreich vor. Die Pforte sollte mit den beiden Kaisermächten keinen Frieden schließen, der nicht zuvor die Billigung Preußens, Schwedens und Polen-Litauens erhalten hatte. Dieser Druck bewirkte, dass Österreich sich Mitte 1790 aus dem Krieg gegen die Türkei zurückzog. Russland stand der sich anbahnenden Koalition allein gegenüber.
Der Frieden von Jassy
Der überraschend starke osmanische Widerstand, die bedrohliche Lage im Ostseeraum sowie die Möglichkeit eines Krieges mit Großbritannien und Preußen ließen St. Petersburg Abschied vom „Griechischen Projekt“ nehmen. Im August 1790 schloss es mit Schweden einen Vergleichsfrieden. Ab März 1791 bemühten sich die zaristischen Emissäre dann um die schnellstmögliche Beendigung des Orientkrieges. Der Frieden sollte auf Basis des von London angebotenen „modifizierten“ Status quo geschlossen werden. Dieser sah vor, dass Russland die Donaufürstentümer wieder räumte. Dafür durfte es aber das Gebiet zwischen Bug und Dnjestr inkorporieren. Auch hatte die Pforte die Annexion der Krim und den Ausbau des dortigen Kriegshafens Sewastopol förmlich anzuerkennen.
Das Ende Polen-Litauens
Militärisch im Orient gebunden, hatte das Zarenreich mitansehen müssen, wie sich sein Vasall Polen-Litauen aus den russischen Fesseln zu lösen began. Im Mai 1791 verabschiedete der Sejm eine neue Verfassung, welche das Liberum Veto abschaffte, die Erbmonarchie einführte und das Heer auf 100.000 Mann vergrößerte. Diese Änderungen wurden von Katharina II., welche die Adelsrepublik als Satelliten erhalten wissen wollte, entschieden abgelehnt. Der Frieden von Jassy gab ihr dann freie Hand für eine militärische Intervention.
Im Frühjahr 1792 besetzten russische Truppen Polen-Litauen und kassierten die Konstitution von 1791. Der nun einsetzende Widerstand erwies sich aber als so heftig, dass Russland zu seiner Niederschlagung auf preußische und österreichische Hilfe angewiesen war. Als Gegenleistung gestand Katharina II. Wien und Berlin die finale Demontage Polen-Litauens zu: Im Oktober 1795 einigten sich die „drei Schwarzen Adler“ auf die Zerschlagung der Adelsrepublik. Russland bekam Kurland, Weißrussland, die Ukraine und Litauen zugesprochen. Den polnischen Kernbereich teilten Hohenzollern und Habsburger unter sich auf.
Persien und die Französische Revolution
Zugleich begann die Zarin am Kaspischen Meer offensiv auszugreifen. So wollte sie Persien unter die Botmäßigkeit Russlands zu zwingen und dazu einen ihr genehmen Herrscher in Teheran einsetzen. Tatsächlich eroberte eine 50.000 Mann starke russische Armee 1796 Aserbaidschan. Parallel dazu entsandte Katharina II. ein Heer von 60.000 Mann nach Westeuropa. Es sollte dort die Französische Revolution bekämpfen. Von dieser sah die Zarin die russische Autokratie existenziell gefährdet. Da verstarb sie im November desselben Jahres.