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Die Seekriege selbst bezeichnen den Übergang der alleinigen Seeherrschaft an England, welches sich, nach der 1708 erfolgten Vereinigung mit Schottland Großbritannien heißend, dabei gegen die stärkste Macht des damaligen europäischen Kontinents Frankreich durchsetzen konnte. Insofern verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, die politischen und militärischen Faktoren herauszuschälen, die London diesen Triumph erlaubten. Dazu sollen die einzelnen kriegerischen Hauptauseinandersetzungen chronologisch dargestellt und analysiert werden. Am Ende folgt dann die Zusammenfassung, in der die gestellte Frage beantwortet wird. Vorangestellt wird eine Einleitung zum Thema Kolonialismus sowie zur Beschreibung der Ausgangslage am Ende des 17. Jahrhunderts.

Zu dieser Zeit wurde der Reichtum von Nationen zu einem großen Teil durch den Handel mit Übersee generiert. Aus diesem Grund versuchten die Regierungen Spaniens, Frankreichs, Englands und der Niederlande ihren Kaufleuten den bevorzugten, wenn nicht gar alleinigen Zugriff auf die überseeischen Rohstoffe bzw. Naturprodukte zu verschaffen und die dortigen Gebiete als Absatzmärkte für die heimischen Manufakturen zu gewinnen.Dabei schreckten sie untereinander wie auch gegenüber außereuropäischen Autoritäten nicht vor dem Einsatz von Gewalt zurück. So unterschieden sich die Friedenszeiten von den Kriegszeiten nur graduell, als da die Schlachtflotten mit ihren Linienschiffen nur in letzteren zum Einsatz kamen, der von Fregatten geführte Kaperkrieg hingegen ohne Unterbrechung geführt wurde.Die geographischen Zentren dieses mörderischen Wettbewerbs befanden sich in der wegen ihrer Zuckerproduktion so wertvollen Karibik, dem an Pelzen reichen Nordamerika und den für seine Gewürze bekannten indischen Subkontinent.

Die koloniale Welt um 1700

Das spanische Kolonialreich

Das mindermächtige Spanien besaß das ausgedehnteste Kolonialreich, konnte dieses aber seit der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht vor der wirtschaftlichen Durchdringung durch England und die Niederlande schützen. So konzentrierte Madrid seine kommerziellen Aktivitäten in Übersee auf den Abbau des mexikanischen und peruanischen Silbers.Dieses wurde Jahr für Jahr über Vera Cruz bzw. Landenge von Panama und Cartagena in Neu-Granada nach Havanna und von dort weiter nach Cadiz im Mutterland verschifft. Dies machte die beiden letzten Orte zu den neuralgischsten Punkten des spanischen Handelssystems, deren Einnahme dieses mit einem Schlag zum Erliegen gebracht hätte. Um dies zu verhindern, richtete Spanien den Hauptstützpunkt seiner Marine im andalusischen Cartagena ein.

Das französische Kolonialreich

Frankreichs Flotten besaßen hingegen Ende des 17. Jahrhunderts ihre Hauptstützpunkte in Brest am Atlantik und in Toulon am Mittelmeer. Von hier aus sollten sie den lukrativen Handel mit dem Osmanischen Reich und Übersee absichern. In der Karibik hielt das bourbonische Königreich Zuckerplantagen auf Haiti und den Kleinen Antillen-Inseln Martinique, Dominica, Guadeloupe, St. Vincent, St. Lucia, Grenada sowie Tobago.Hinzu kamen noch Positionen in Guayana.In Nordamerika hatte sich Versailles hingegen über Handelsstationen am Mississippi, Sankt-Lorenz-Strom und an den Großen Seen festgesetzt. Komplementiert wurden diese Besitzungen durch die Niederlassungen am Golf von Bengalen mit den Zentren Pondicherry und Chandernagore sowie dem im südlichen Indischen Ozean gelegenen Mauritius.

Das englische Kolonialreich

Neben seinen Siedlungskolonien an der nordamerikanischen Atlantikküste besaß England Ende des 17. Jahrhunderts mit den Bahamas, Teilen der Kleinen Antillen und Jamaika auch finanziell sehr ertragreiche Besitzungen in der Karibik.Diese wurden durch das Netz von Handelsniederlassungen der East India Company auf dem indischen Subkontinent mit Zentren in Bombay, Madras und Kalkutta ergänzt.Achillesverse dieses Reiches bildete die Irischen See, durch welche sämtliche Seeverbindungen zwischen Mutterland und Kolonien führten und die sich Nähe Brests befanden. Um sie dem feindlichen Zugriff zu entziehen, unterhielt London in Portsmouth am Ärmelkanal eine der französischen überlegene Flotte.

Das niederländische Kolonialreich

In niederländischem Besitz befanden sich seit dem frühen 17. Jahrhundert die heute als Indonesien bekannten ostindischen Gewürzinseln mit Mittelpunkt in Batavia sowie Ceylon mit den Häfen Colombo und Trincomalee. Auf dem indischen Subkontinent hielt Den Haag Negapatam an der Koromandelküste und Chinsurah in Bengalen.Das auf halber Strecke zwischen Ostindien und dem Mutterland lag der wichtige Auffrischungshafen Kapstadt. Zudem besaßen die Niederländer aber auch in der Karibik mit St. Eustatius und St. Martin auf den Kleinen Antillen sowie Curacao vor der Küste Südamerikas eigene Besitzungen.

Die vorliegende Artikelserie beschäftigt sich mit der Geschichte der russischen Außenpolitik. Sie setzt mit dem Beginn der Alleinherrschaft Peters des Großen 1689 ein und endet 2015 mit der Ukraine-Krise. Folglich behandelt sie die Außenpolitiken des Zarenreiches, der UdSSR und der Russischen Föderation. Seine Relevanz bezieht das Thema aus dem gegenwärtigen Konflikt zwischen der Russischen Föderation und dem Westen.

Die Studie geht der Frage nach, welche tieferliegenden, überpersonalen Kontinuitäten und Brüche Russlands Geopolitik im Laufe der Zeit durchmachte. Dies dient dem Versuch, die Voraussetzungen, Interessen und Möglichkeiten der russischen Außenpolitik von heute festzustellen.

Die Reihe gliedert sich in elf chronologisch aufeinander aufbauende Kapitel. Die gewonnenen Erkenntnisse werden im Schlussteil zusammengefasst.

Zusammenfassung

Die Außenpolitik Russlands wurde maßgeblich von seiner geographischen Lage zwischen Ostsee, Schwarzem und Kaspischen Meer bestimmt. Dank dieser konnte es in der Zarenzeit versuchen, zur Drehscheibe des Welthandels zu werden.

Peter der Große: Die Ostsee

Der erste Anlauf unter Peter dem Großen scheiterte indessen. So konnte sich das Russische Reich weder am Schwarzen Meer durchsetzen noch über Persien zu den indischen Handelswegen vorstoßen. Infolge dessen richtete der Zarismus seinen Außenhandel auf die Ostsee aus, wo es gelungen war, ein ihn förderndes Staatensystem zu schaffen. Dieses konnte in der Folgezeit gegen französische Subversionsversuche gesichert und sogar ausgebaut werden.

Katharina die Große: Schwarzes und Kaspisches Meer

Nach diesem Erfolg wandte sich die russische Führung unter Katharina der Großen wieder den beiden anderen Binnenmeeren zu. So konnte am Schwarzen Meer ein breiter maritimer Zugang erworben werden. Der Durchbruch in das östliche Mittelmeer kam allerdings aufgrund europäischer Intervention nicht zustande. Auch ein erneutes Ausgreifen am Kaspischen Meer wurde abgebrochen. Die Expansion in den Orient hatte die Folge, dass die russische Stellung an der Ostsee erschüttert wurde. Um sie einigermaßen zu halten, musste sich Russland mit Preußen und Österreich vergleichen.

Alexander I. und Nikolaus I.: Höhepunkt zaristischer Macht 

Mit dem Ausgang der Napoleonischen Kriege wurde die beherrschende Stellung Russlands am Baltischen Meer wiederhergestellt. Auch strahlte sein Einfluss auf das gegen Frankreich gerichtete mitteleuropäische Glacis aus. Die so erworbene starke Machtstellung erlaubte es dem Zarenreich, Persien in den eigenen Einflussbereich zu ziehen und erneut nach dem Osmanischen Reich auszugreifen. Letzteres mündete in den Krim-Krieg.

Alexander II. und Alexander III.: Russland in der Defensive

Er endete mit der Niederlage Russlands. Während sie seine Stellung an der Ostsee und am Kaspischen Meer kaum tangierte, schwächte das Ergebnis der Kampfhandlungen die Position des Zarenreiches am Schwarzen Meer und in Mitteleuropa nachhaltig. Infolgedessen konnte St. Petersburg nicht verhindern, dass sich letzteres zu einer überlegenen Macht entwickelte. Das Gleichgewicht der Kräfte konnte nur durch das Bündnis mit dem ehemaligen Hauptgegner Frankreich erhalten werden.

Außenpolitik als Innenpolitik

Trotz des ausgeglichenen Kräfteverhältnisses bemühte sich die russische Regierung weiter um eine offensive Außenpolitik. Diese war nötig geworden, da der Zarismus innenpolitisch unter Druck geraten war. Da Russland aber im Fernen Osten und Persien Rückschläge erlitt und aufgrund der Bedeutung, die ihm die eigene Öffentlichkeit zuerkannte, wurde der Schwarzmeerraum zum neuen Hauptbetätigungsfeld. Dies führte in den Ersten Weltkrieg, welcher bei einem siegreichen Ausgang die bedeutende Stellung des Zarenreiches in Mitteleuropa restituiert und den Durchbruch in das östliche Mittelmeer gebracht hätte. Vor Vollendung dieser Möglichkeiten brach es allerdings 1917 unter den Kriegslasten zusammen.

Die Bolschewiki

Die Machtergreifung der Bolschewiki veränderte den Charakter der russischen Außenpolitik grundlegend. In deren Mittelpunkt rückte nun die Verhinderung eines von den Westmächten getragenen antisowjetischen Kreuzzuges. Diesem Ziel diente der Versuch, Deutschland und Japan gegen die USA, Großbritannien und Frankreich zu lenken. Diese Politik ging nur bedingt auf und führte die UdSSR in einen Existenzkampf mit dem Dritten Reich, aus dem sie allerdings gestärkt hervorging.

Der Kalte Krieg

Nach der Niederwerfung der Achsenmächte sah sich die Sowjetunion dem Westen direkt gegenüber und rechnete mit seinem Angriff. Um das eigene Territorium vor erneuten Kriegseinwirkungen zu schützen, errichtete Moskau in Osteuropa einen breiten Sicherheitsgürtel. Zudem wurde über verschiedene Kanäle versucht, Westeuropa als Aufmarschraum der NATO zu neutralisieren. Entsprechend bemühte sich der Kreml darum, einzelne der hiesigen Staaten aus der transatlantischen Allianz herauszulocken. Er ergänzte diese diplomatischen Schritte durch militärischen Druck. So bedrohte die UdSSR die EG direkt mit ihrer Überlegenheit bei konventionellen Streitkräften und atomaren Mittelstreckenraketen. Indirekt indem sie sich an deren Seehandelslinien zum Persischen Golf festzusetzen versuchte. Zugleich sah sich die Sowjetunion von China herausgefordert, welches durch eine geostrategische Einkreisung kaltgestellt werden sollte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die gegenüber dem Reich der Mitte wie auch dem westlichen Europa verfolgte Politik die wirtschaftlichen Kräfte der UdSSR überforderte und daher beendet werden musste.

Das postsowjetische Russland

Anstatt sich aber außenpolitisch zu fangen, implodierte die Sowjetunion und mit ihr die militärische Macht des Kremls. Infolge dessen hatte die Russische Föderation Schwierigkeiten, ihre Vorherrschaft im postsowjetischen Raum aufrechtzuerhalten. Entsprechend konnte der Großmachtstatus nur gesichert werden, wenn es gelang, zum Hauptenergieträgerlieferanten Westeuropas und Chinas aufzusteigen sowie diese für eine gegen die USA gerichtete politische Kooperation zu gewinnen. Im Falle Brüssels scheiterte dieses Unterfangen, im Falle Pekings drohte Moskau in die Rolle des Juniorpartners gedrängt zu werden. Um letzteres zu verhindern, bemühte sich Russland um die engere Zusammenfassung des GUS-Raumes unter seiner Führung. Dies führte aber bezüglich der Ukraine zum Zusammenstoß mit den USA und der EU.

Fazit

Bei der Betrachtung der russischen Außenpolitik werden zwei Kontinuitätslinien deutlich, deren Trennscheide der Krim-Krieg darstellt. Befand sich das Russische Reich bis dahin in der strategischen Offensive, so wandelte sich nach der 1856 erlittenen Niederlage der Grundtenor ins defensive um. Die späten Zaren vermochten nicht mehr darum zu kämpfen, Russland zur Drehscheibe des Welthandels zu machen. Außenpolitik wurde nun zu einem Mittel, um den innenpolitischen Druck abzufedern. Dies führte in den Zusammenbruch von 1917. Die sowjetische Periode der russischen Außenpolitik war ebenfalls von einem defensiven Grundsatz geprägt. So bemühte sich die UdSSR während ihrer ganzen Existenz einem gegen sich gerichteten westlichen Kreuzzug vorzubeugen. Zunächst diplomatisch, zunehmend aber auch mit militärischem Druck. Diese Politik führte allerdings zur Überdehnung der Kräfte und der anschließenden Implosion russischer Weltgeltung. Im Zuge dessen musste die Russische Föderation eine strategisch offensive Außenpolitik vermeiden. Die Grundausrichtung ihrer Geopolitik blieb daher bis zum heutigen Tag defensiv.

Stellt sich abschließend die Frage, ob das heutige Russland für Deutschland eine militärische Gefahr darstellt. Dazu ist zu bemerken, dass die UdSSR trotz ihres hohen Militarisierungsgrades nicht in der Lage gewesen war, China und Westeuropa auf die Knie zu zwingen. Tatsächlich hörte sie seit Mitte der 1980er Jahre auf, für beide eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Das militärische Potential des Kremls ist seitdem stark zusammengeschrumpft, er selbst auf den postsowjetischen Raum zurückgeworfen. Unter diesen Umständen scheint es unangebracht, davon auszugehen, dass die Russische Föderation für Westeuropa eine Bedrohung darstellt. Tatsächlich reichen ihre Kräfte gerade dafür aus, den USA und der EU den sicheren Zugriff auf die Ukraine zu verwehren. Von der Auseinanderstzung um dieses Land wird es letztlich abhängen, ob Russland auch in Zukunft seinen Großmachstatus wird halten können oder nicht.

Auf den machtpolitischen Rückzug aus Osteuropa, dem Fernen Osten und vom Indischen Ozean folgte die Erosion der Sowjetunion selbst. So brachen infolge von „Glasnost“ und „Perestroika“ an der Peripherie des Riesenreiches ethnische Unruhen aus. Auch konnten die Radikalreformer um Jelzin die Regierungsgewalt über die Russische Teilrepublik an sich ziehen. Sie bauten deren Kompetenzen zuungunsten des Unionszentrum aus. Dann verständigte sich das neue Russland Ende 1991 mit den anderen Teilrepubliken auf die Auflösung der UdSSR. An ihrer statt wurde die GUS gegründet.

Die Außenpolitik Jelzins (1992- 1999)

Die neugegründete Russische Föderation sah sich seit Anfang 1992 einer ständig wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Krise ausgesetzt. Diese verhinderte ein kraftvolles Auftreten nach außen. Ein solches wurde von den russischen Eliten aber auch gar nicht angestrebt. Der Grund hierfür lag in ihrer Interpretation des Zusammenbruchs der UdSSR: Er wurde auf deren imperiale Außenpolitik zurückgeführt. Sie weiterzuführen, so der Konsens, konnte zum Zerfall des neuen Russland führen. So war man zwar an einer Reintegration des GUS-Raumes interessiert, verzichtete jedoch auf die Anwendung äußerster Mittel. Stattdessen sollte die Region freiwillig für eine Wiederzusammenfassung gewonnen werden.

Tatsächlich erlangte Russland auf diplomatischem Wege die Kontrolle über den weißrussischen und kasachischen Außenhandel. Die Ukraine hingegen wies den 1994 gemachten Vorschlag über eine Zoll- und Währungsunion zurück. Auch scheiterte die Russische Föderation mit ihrem Vorhaben, die Interparlamentarische Versammlung der GUS in ein reguläres Parlament umzuwandeln. Wäre dies gelungen, hätte der Kreml aufgrund seiner dortigen Mehrheit Gesetze für die ganze GUS erlassen können. Daher bemühte sich Moskau, renitente Staaten wie Georgien und Moldawien durch Ausnutzung ethnischer Spannungen mit minimalem militärischem Aufwand bei der Stange zu halten. Auch wollte es westliche und chinesische Einflüsse von der GUS fernhalten.

Ein weiteres Projekt der Russischen Föderation bestand in der Umwandlung der GUS  in einen einheitlichen Verteidigungsraum. Ihm blieben jedoch die Ukraine und Usbekistan fern. Zudem ließ sich Osteuropa nicht in einen Puffer gegen die NATO verwandeln. Stattdessen traten die dortigen Staaten seit 1999 der transatlantischen Allianz bei. Da sich seine konventionellen Streitkräfte in einem beklagenswerten Zustand befanden, konnte Russland dies nicht verhindern. Auch war der Westen wichtigster Kreditgeber des Kreml. Die westlichen Finanzspritzen sollten es ihm ermöglichen, das Monopol über die von der Sowjetunion hinterlassenen Kernwaffen aufrechtzuerhalten und ihren Nichteinsatz zu garantieren.

Außenpolitik Putins gegenüber der EU, den USA und China

Seit dem Jahr 2000 stabilisierte sich die soziale und wirtschaftliche Lage Russlands wieder. Um seinen Großmachtstatus zu erhalten bzw. wiederherzustellen setzte die Regierung Putin auf die Generierung inneren Wohlstands. Um dieses Ziel zu erreichen, musste der Energieträgerexport in die EU und den Fernen Osten sowie die Einflussnahme auf den GUS-Raum sichergestellt werden. Beides sollte diplomatisch und wenn nötig auch militärisch erfolgen.

Putin gab sich indessen keinen Illusionen hin und beendete Jelzins Versuche, westliche sowie chinesische Interessen vom GUS-Raum fernzuhalten. Im Gegenteil akzeptierte er sie ausdrücklich. Dies fiel umso leichter, als da Moskau den Islamismus als neue Hauptbedrohung ansah. Gegen diesen wünschte es eine strategische Partnerschaft mit den USA. Diese kam aber aufgrund der Verweigerungshaltung Washingtons nicht zu Stande. Auch bemühte sich dieses um die Zurückdrängung Russlands in der GUS. Daher suchte Moskau die Zusammenarbeit mit China, welches gleichzeitig wegen Taiwan und dem Südchinesischen Meer mit den USA aneinandergeriet.

Diese Kooperation war indessen nicht unproblematisch, denn anders als in der Vergangenheit war China wirtschaftlich die stärkere von beiden Mächten. So drohte Moskau zum Juniorpartner abzusteigen. Dies wollte es unbedingt verhindern. So versuchte die Russische Föderation eingedenk ihrer militärtechnologischen Überlegenheit, der Zusammenarbeit mit dem Reich der Mitte eine sicherheitspolitische Ausrichtung zu geben. Auch sollte die Volksrepublik durch eine strategische Einkreisung gezügelt werden. Dazu suchte der Kreml enge Kontakte zu Indien, Japan, den beiden Koreas und der ASEAN. Diese sollten zusätzlich in die gegen die USA gerichtete russisch-chinesische Blockbildung integriert werden.

Außenpolitik Putins gegenüber der GUS

Grundsätzlich vermied es der Kreml, die Staaten der GUS vor den Kopf zu stoßen. So verzichtete er auf die Unterstützung der im Norden Kasachstans und im Osten der Ukraine starken russischen Diaspora. Die Interessen Russlands sollten stattdessen durch seine Energiekonzerne durchgesetzt werden. Tatsächlich gelang es ihnen, weite Teile des post-sowjetischen Strommarktes, Erdgastransportsystems und Erdölflusses unter Kontrolle zu bekommen. Obgleich alle GUS-Staaten für Moskau eine Relevanz besaßen, hatte es an Belarus, der Ukraine und Kasachstan ein besonderes Interesse.

Belarus

Die engsten Beziehungen innerhalb des GUS-Raumes unterhielt Russland zu Belarus. Hier verfolgte es seit den 1990er Jahren das Projekt der russisch-weißrussischen Union. Um es durchzusetzen, war dem Kreml an stabilen innenpolitischen Verhältnissen in Minsk gelegen. Um diese herzustellen, belieferte Moskau Minsk mit billigen Energieträgern. In der Tat sicherten diese der Regierung Lukaschenko breiten Rückhalt in der weißrussischen Bevölkerung.

Ukraine

Das größte Interesse besaß der Kreml aber an der Ukraine, die als stabiler und ihm freundlich gesonnener Staat erhalten werden sollte. Das demographische, wirtschaftliche und militärische Potential des aus Kiew regierten Landes (so waren die russische Luftwaffe und Marine teilweise von Zulieferungen aus der Ukraine abhängig und war die Schwarzmeerflotte auf der Krim stationiert) bildete eine wichtige Ergänzung zu den diesbezüglichen Ressourcen Russlands. Die Verknüpfung beider hätte es Moskau erleichtert, seinen Großmachstatus aufrechtzuerhalten. Zudem verlief fast der gesamte Erdgas- und der halbe Erdöltransport in die EU über die Ukraine. Deren Westdrift hätte zudem auf andere GUS-Staaten ausstrahlen können.

Kasachstan

Eine zweifache Funktion erfüllte Kasachstan, um dessen innenpolitische Stabilisierung der Kreml sich seit 2000 erfolgreich bemüht hatte. Um es dauerhaft bei der Stange zu halten wurde eine auch für die kasachische Seite gewinnbringende wirtschaftliche Kooperation forciert. Dies war wichtig, da einerseits Unruhen im dem aus Astana regierten Land infolge der langen und nur schwer zu sichernden Grenze auf die Russische Föderation hätten übergreifen können. Zum anderen bildete es eine Pufferzone gegen den im südlichen Zentralasien starken Islamismus.

Das südliche Zentralasien

Hier war die Lage in Kirgisistan und Tadschikistan besonders kritisch. Deren Instabilität drohte nach Kasachstan auszustrahlen. Um dies zu verhindern, gewährte der Kreml Bischkek und Duschanbe eine umfangreiche sicherheitspolitische und wirtschaftliche Hilfen. Ähnlich gestalteten sich die Beziehungen zu Usbekistan, welches zunächst eine Schaukelpolitik zwischen dem Kreml und dem Westen verfolgend, der Russischen Föderation nach 2005 ein Interventionsrecht im Falle islamistischer Aufstände zugestand.

Außenpolitik Putins: Der Energiesektor
Sicherung Zentralasiens

Russland deckte seinen Eigenbedarf an Energieträgern durch kostengünstige Importe aus Zentralasien. Dies erlaubte es, die eigenen Reserven teuer in die EU und in den Fernen Osten zu verkaufen. Um dieses Geschäftsmodell aufrechtzuerhalten, musste Moskau die Ausbeutung der zentralasiatischen Rohstoffe unter seiner Kontrolle halten. Tatsächlich hielt es ein Druckmittel gegenüber den hiesigen Staaten in der Hand: Seit Sowjetzeiten erfolgte der Export des Erdgases und Erdöls Zentralasiens über Russland.

Für den Kreml galt es demnach zu verhindern, dass der Westen und China alternative Pipelines aus der Region nach der Außenwelt errichteten. Sollte dies nicht möglich sein, würde sich die Russische Föderation für die Bildung einer „Gas-OPEC“ einsetzen. Diese hätte aus Russland, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan auch dem Iran bestehend 2/3 der weltweiten Erdgasreserven gebündelt. Vor allem aber hätte sie Moskau die Verfügungsgewalt über diese Rohstoffe dauerhaft gesichert.

Die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft

Zur Festigung seines Einflusses im GUS-Raum hatte Moskau 2000 die Gründung der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft initiiert. In ihr schlossen sich neben Russland, Belarus und Kasachstan auch Tadschikistan und Kirgisistan wirtschaftlich zusammen. Der Organisation wurde ein supranationaler Überbau gegeben, dessen Entscheidungen für alle Mitglieder bindend waren. 2006 beschlossen die Mitgliedstaaten die Bildung einer Zollunion und eines gemeinsamen Energiemarktes. Russland sicherte sich dadurch die weitere Kontrolle über die zentralasiatischen Erdgas- und Erdölvorräte. Als Manko blieb, dass sich die Ukraine der Organisation nur als Beobachter anschloss.

Westliche Umgehungsversuche und Transkaukasien

Der Westen konnte das russische Exportmonopol auf zentralasiatische Energieträgerreserven umgehen, indem er westlich und südlich aus der Region führende Pipelines baute. Letztere Variante verbot sich aber aufgrund des Krieges in Afghanistan. Erstere wurde tatsächlich mit der BTC-Pipeline realisiert. Russland konterte dies, indem es versuchte, über ein Konsortium an der Pipeline beteiligt zu werden. Ansonsten war der Kreml auch in Transkaukasien an stabilen Verhältnissen und ihm freundlich gesonnenen Staaten interessiert. Tatsächlich unterhielt er trotz des Konfliktes um Berg-Karabach gute Beziehungen sowohl zu Armenien als auch Aserbaidschan.

Zu Georgien war das Verhältnis hingegen problematisch. Dies lag zum einen an historischen Erfahrungen. Zum anderen aber an der militärischen Unterstützung, die Moskau den abtrünnigen georgischen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien gewährte. Die Belastung der beiderseitigen Beziehungen nahm die russische Führung dabei in Kauf, da sie auf die Befindlichkeiten im Nordkaukasus Rücksicht nehmen musste. Das Fallenlassen der beiden georgischen Regionen hätte hier zu einem Aufstand führen und die territoriale Integrität Russlands gefährden können. Entsprechend schlug Russland im Sommer 2008 einen georgischen Angriff auf Süd-Ossetion zurück und anerkannte das Gebiet als unabhängigen Staat an. Dasselbe wurde auch im Falle Abchasiens vollzogen.

OVKS und SCO

Neben der Einbindung der Ukraine in russlandfreundliche Strukturen war die Stabilisierung Zentralasiens für Moskau das Hauptziel seiner Politik im GUS-Raum. Um sie zu bewerkstelligen verfolgte es eine doppelgleisige Politik. Zum einen forcierte Russland 2002 die Bildung der OVKS als sicherheits- und außenpolitischer Allianz. Zum anderen suchte der Kreml die regionale Zusammenarbeit mit China und initiierte mit ihm 2001 die Bildung der SCO. Kasachstan, Tadschikistan und Kirgisistan gehörten beiden Organisationen an.

Der europäische Sicherheitspakt (2008-2010)

Während der Präsidentschaft Medwedews verfolgte Russland sein Ziel, über wirtschaftliches Wachstum Großmacht zu bleiben, weiter. Dies erforderte weiterhin die verstärkte ökonomische Integration des GUS-Raumes sowie gute Beziehungen zu den USA, der EU und China. Insbesondere zu den beiden letzten Mächten war eine tiefere Zusammenarbeit geplant, während die globale Macht der Vereinigten Staaten durch die UNO eingehegt werden sollte. Allerdings begann Peking seit 2008 in Zentralasien zunehmend als Rivale Moskaus aufzutreten. Dies legte eine breit angelegte strategische Verständigung Russlands nicht nur mit der EU, sondern auch mit den USA nahe.

Tatsächlich versuchte der Kreml den Westen für eine Modernisierungspartnerschaft und gemeinsame Raketenabwehr zu gewinnen. So sollte die NATO durch einen Europäischen Sicherheitspakt ersetzt werden, als dessen Garant auch Russland vorgesehen war. Auf diese Weise hätte Russland nicht nur die Zusammenballung gegnerischen Militärs an seiner Westgrenze unterbunden, sondern hätten die USA und die EU die Vorherrschaft Moskaus im GUS-Raum anerkannt. Allerdings lehnten Washington und Brüssel die Offerte des Kremls ab. Auch der gemeinsamen Raketenabwehr verweigerten sie ihre Zustimmung.

Die Eurasische Union

Aufgrund dieser Zurückweisung betrachtete Russland nach 2010 die USA und die EU wieder als strategische Rivalen. Insbesondere Washington wurde nun neben dem Islamismus wieder als Hauptbedrohung betrachtet. Dem konnte nur durch eine Anlehnung an China begegnet werden. Durch sie drohte die Russische Föderation aber erdrückt zu werden, wenn sie nicht ihre wirtschaftlichen, demographischen und militärischen Ressourcen vergrößerte.

Dies machte die Bildung der Eurasischen Union als politischem und wirtschaftlichem Zusammenschluss von Nöten. Ihm sollte neben Russland, Belarus und Kasachstan auch die Ukraine angehören. Der geplante supranationale Überbau hätte dem Kreml den entscheidenden Einfluss auf die neue Union gesichert. Tatsächlich stimmten Minsk und Astana der wirtschaftlichen Integration im Rahmen der Zollunion zu. Der politischen Dimension des eurasischen Projekts verschlossen sie sich aber. Noch schwieriger gestaltete sich der Beitritt der Ukraine zum geplanten Verbund.

Die Ukraine-Krise
Ein gespaltenes Land zwischen Ost und West

Die Ukraine war seit der Unabhängigkeit 1992 hinsichtlich ihrer außenpolitischen Orientierung gespalten. Während die Bevölkerung im Osten aus kulturellen wie wirtschaftlichen Gründen enge Bindungen zur Russischen Föderation anstrebte, verfochten die Westukrainer die Integration in die EU und NATO. Aufgrund eigener Schwäche war Russland bereit, das daraus abgeleitete Lavieren Kiews hinzunehmen. Nicht so der Westen, der die Bindungen der Ukraine an den Kreml lockern wollte. Einen ersten Erfolg verzeichneten Washington und Brüssel im Winter 2004/05. Den Westukrainern gelang es in der „Orangenen Revolution“, sich gegen die Ostukrainer durchzusetzen und eine ausschließlich am Westen orientierte Außenpolitik durchzusetzen.

Dieser Triumph war jedoch von nur kurzer Dauer, da die Regierung Juschtschenko weder den Lebensstandard der Bevölkerung heben noch die grassierende Vetternwirtschaft eindämmen konnte. So verloren die orangenen Kräfte an gesellschaftlichem Rückhalt und wuchs in der Ukraine das Interesse an einer stärkeren Kooperation mit Russland. Folglich wählte das Land mit Janukowitsch den Vertreter der ostukrainischen Wirtschaftselite 2006 zum Ministerpräsidenten und 2010 zum Präsidenten. Er nahm wieder konstruktive Beziehungen auch zum Kreml auf.

Russische Werbungen nach 2010

Nun bemühte sich Moskau, Kiew in das eigene Lager zu ziehen. Um sie für den Beitritt zur Eurasischen Zollunion zu gewinnen, ermäßigte Russland der Ukraine den Erdgaspreis und initiierte eine für beide Seiten gewinnbringende Industriekooperation. So wuchsen die ukrainischen Exporte in das östliche Nachbarland bis 2013 an, während diejenigen in die EU sanken. Dennoch verweigerte der ukrainische Präsident seine Zustimmung für den Beitritt seines Landes zur Zollunion. Stattdessen suchte er sein Heil in der Fortsetzung der Schaukelpolitik zwischen Russland und dem Westen. Entsprechend wies er auch Versuche der EU, die Ukraine über ein Assoziierungsabkommen allein an den Westen zu binden, Ende 2013 zurück. Diese Entscheidung löste den vornehmlich von der Westukraine getragenen Maidan aus. Er endete im Februar des Folgejahres mit dem Sturz Janukowitschs und der Installierung einer pro-westlichen Regierung.

Maidan und Anti-Maidan

Obwohl sie die Maidan-Proteste und deren politische Folgen mehrheitlich ablehnte, verhielt sich die Bevölkerung der Ostukraine überwiegend passiv. Es war eine Minderheit, die sich dem Kiewer Umsturz aktiv widersetzte. Die Brennpunkte dieses Anti-Maidan befanden sich in den Regionen Odessa, Charkow, Donezk und Lugansk sowie der autonomen Republik Krim. Während letztere Mitte März 2014 in den Bestand der Russischen Föderation wechselte, wurden die Proteste in Odessa und Charkow von der Maidan-Regierung unterdrückt. Donezk und Lugansk erklärten sich hingegen zu unabhängigen „Volksrepubliken“.

Russische Interessen in der Ukraine

Der Machtwechsel in Kiew machte dem Kreml deutlich, dass die Ukraine auf absehbare Zeit der Zollunion nicht beitreten würde. Nun galt es, wenigstens zu verhindern, dass sich das Land ausschließlich an den Westen band. Dies unter anderem deswegen, als da die Rüstungsindustrie Russlands mit derjenigen der Ostukraine verzahnt war. Moskau wollte daher Garantien dafür, dass sich die Ukraine nicht zu einem feindlichen Staat entwickelte. Stattdessen sollte sie blockfrei bleiben und innenpolitisch föderalisiert werden. Beides hätte der Russischen Föderation erlaubt, über die Ostukrainer weiter Einfluss auf Kiew zu nehmen. Entsprechend nahm der Kreml die Unterstützung der “Volksrepubliken” auf.

Der Krieg im Donbass

Der Konflikt um den Donbass eskalierte im Sommer 2014 zum offenen Krieg. Da die Bereitschaft an ihm teilzunehmen in der gesamten Ukraine denkbar gering war, erhielten rechtsradikale bis rechtsextreme Kräfte großen Einfluss auf das Kampfgeschehen. So halfen russische Nationalisten mit wahrscheinlicher Billigung Moskaus den „Volksrepubliken“ logistisch unter die Arme, während Kiew zu deren Niederwerfung nicht zuletzt auf Neo-Nazis setzte. Die Auseinandersetzung endete im September des Jahres mit der Einfrierung der Frontlinien.

Erstarrung der Fronten

Durch die Unterstützung der Rebellen hatte Russland gegenüber den USA und der EU klargestellt, dass es sich nicht einfach aus der Ukraine zurückziehen würde. An einer weiteren kriegerischen Eskalation des Gegensatzes zum Westen war Moskau aber nicht gelegen, da diese sein militärisches Potential überfordern und die Grundfesten des eigenen Staates erschüttern musste. Stattdessen verlegte die russische Führung ihre Anstrengungen auf den wirtschaftlichen Sektor. So konnte Kiew hier ein Schaden beigebracht werden, der die an es überwiesenen westlichen Finanzspritzen überstieg. Folglich war so die Möglichkeit gegeben, die Ukraine zu einem Kompromiss zu zwingen.

Der Konflikt um die Ukraine hatte zur Folge, dass Russland noch stärker auf China angewiesen war als zuvor. Dies bewirkte in zentralen Punkten das russische Nachgeben gegenüber Peking. So kam ihm Moskau beim Energiepreis wie auch der Belieferung mit modernsten Waffen entgegen. Zudem bemühte sich der Kreml, gemeinsam mit den Chinesen den globalen Süden auf die eigene Seite zu ziehen und die westliche Vorherrschaft im Weltfinanzwesen zu brechen.

Der Ost-West-Handel beginnt

Seit Anfang der 1970er Jahre war die UdSSR an einer wirtschaftlichen Kooperation mit den USA und der EG interessiert. Zu diesem Zeitpunkt bildete sie die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, besaß aber nur ein halb so großes BSP wie die USA. Vor allem bestand ein Mangel bei der Produktion von Getreide und moderner Technologie. Beides musste teuer im Westen eingekauft werden. Dafür erhielt Moskau westliche Kredite und verschuldete sich damit zunehmend.

Der NATO-Doppelbeschluss

Nachdem Scheitern ihrer KSZE-Pläne bemühte sich die Sowjetunion seit Mitte der 1970er Jahre wieder darum, die BRD aus der NATO herauszulösen. Ziel war eine Sicherheitskooperation zwischen Moskau und Bonn, bei der die UdSSR den hegemonialen Part dargestellt hätte. Als Gegenleistung war der Kreml bereit, der deutschen Wiedervereinigung zuzustimmen. Zudem unterstützte er in Westdeutschland pazifistische Strömungen und setzte das Land durch die Aufstellung neuer Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 militärisch unter Druck. Die Bundesrepublik lehnte sich infolgedessen noch stärker an die NATO an, die im Dezember 1979 die schnellere Verlegung US-amerikanischer Truppen nach Westeuropa und die Aufstellung von Pershing-II-Raketen dort beschloss.

Der Orient
Ausbau der sowjetischen Positionen

Parallel dazu verstärkte die UdSSR ihre Bemühungen, durch Zugriff auf den Seehandel zwischen der EG und dem Persischen Golf diese von den USA abzuziehen. So wurde, um die Kontrolle über den 1974 wiedereröffneten Suezkanal zu gewinnen, eine aus Syrien, Libyen, Süd-Jemen und Äthiopien bestehende Umfassungsfront um Ägypten aufgebaut. Zugleich wurde durch die Errichtung weiterer Militärstützpunkte auf Perim, Sokotra und in Aden der Zugriff auf die Straße von Bab al-Mandab gestärkt. Durch den Gewinn von Angola und Mosambik als Verbündete 1975 gewann die Sowjetunion Basen in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung und konnte so die dortige westliche Handelsroute bedrohen. Am Persischen Golf selbst bemühte sich die Sowjetunion weiter um die Gewinnung des Iran. So wurden mit Teheran bestehende Grenzstreitigkeiten beigelegt und in Algier der iranisch-irakischen Grenzvertrag vermittelt. Auch nahm Moskau Waffenlieferungen an den Pfauenthron auf.

Folgen der iranischen Revolution

1979 erodierte die Position der Westmächte am Golf weiter. So wurde der Schah vom schiitischen Klerus des Iran gestürzt. Dieser brach anschließend mit den USA. Moskau gedachte in das entstandene Machtvakuum zu stoßen, wollte dabei aber auf militärische Mittel verzichten. Deren Anwendung hätte zu einem bewaffneten Zusammenstoß mit den USA führen können. Stattdessen bediente sich die UdSSR anderer Mittel, um den Iran auf ihre Seite zu ziehen: Einerseits wurde dessen Regierung durch Unterstützung der ethnischen Minderheiten sowie der einheimischen Kommunisten unterwandert. Andererseits suchte die sowjetische Führung nach engen Kontakten zu den Mullahs. So stellte sie sich 1980 auf deren Seite, als der Iran vom eigentlich mit Moskau verbündeten Irak angegriffen wurde. Das Tauwetter in den sowjetisch-iranischen Beziehungen dauerte aber nur bis 1982: So nutzte Teheran die Detente mit Moskau, um im Inneren die kommunistische Tudeh-Partei auszuschalten und nach Außen gegen Bagdad in die Offensive zu gehen.

Afghanistan wird besetzt

Ende 1979 besetzte die Rote Armee Afghanistan, um dieses in einen Sattelitenstaat nach dem Vorbild der Mongolei umzuwandeln. Durch diesen Vorstoß gewann die UdSSR Luftwaffenbasen, von denen aus das Arabische Meer und der Persische Golf abdeckt wurden. Damit wuchsen die Fähigkeiten der UdSSR, den westlichen Seehandel zu torpedieren. Zudem ging Moskau davon aus, dass der Iran wie auch Pakistan aufgrund ihrer inneren Labilität ihre antisowjetische Außenpolitik revidieren würden. Im Zuge dessen wäre es möglich gewesen, Marinestützpunkte am Persischen Golf und am Arabischen Meer zu gewinnen. Tatsächlich erfolgte Mitte der 1980er Jahre die sowjetische Wiederannäherung an den Iran.

Die Einkreisung des Suez-Kanals

Am Suez-Kanal wechselte Ägypten Ende der 1970er Jahre endgültig in das westliche Lager. Um seinen Einfluss auf Kairo wiederherzustellen, intensivierte Moskau seine Versuche, strategische Flankenpositionen um Ägypten zu gewinnen. Zu diesem Zweck vergrößerte die Sowjetunion ihre Hilfen an Libyen, die PLO und vor allem Syrien. Damaskus sollte in die Lage versetzt werden, den Libanon und Jordanien auf die sowjetische Seite zu ziehen.

Der Ferne Osten
Die ASEAN-Staaten

Mitte 1975 endete der Krieg in Indochina mit dem Sieg Nordvietnams. Dadurch dehnte sich die sowjetische Einflusszone bis an die Grenzen der ASEAN aus. Um deren Mitglieder für sich zu gewinnen, präsentierte sich Moskau ihnen gegenüber als wirtschaftlicher Partner und als sicherheitspolitischer Bundesgenosse gegen etwaige Machtübernahmen durch pekingorientierte Kommunisten. Da sich damit der um China gelegte Einkreisungsring zu schließen drohte, bemühte sich das Reich der Mitte, neben den USA und Japan auch die ASEAN für die Gegeneinkreisung Indochinas zu gewinnen. Dadurch wäre dieses als Eckpfeiler der sowjetischen Umfassung neutralisiert worden. Die Staaten der ASEAN konnten allerdings weder von Moskau noch von Peking zu einer Parteinahme gezwungen werden. Dies lag daran, dass sich die beiden kommunistischen Riesen hier militärisch gegenseitig blockierten. Lachender Dritter war Washington, das seit Ende der 1970er Jahre sein Engagement in Südostasien wiederaufnahm.

Sowjetischer Druck auf China

Zugleich begann China seine inneren Reformen. Zu ihrem erfolgreichen Abschluss benötigte es gute Beziehungen nicht nur zu den USA, sondern auch zur UdSSR. Diese aber weigerte sich, die Umfassung des Reiches der Mitte aufzugeben. Entsprechend störte sich Peking an der weiterhin starken sowjetischen Präsenz an der gemeinsamen Grenze und in Afghanistan sowie an derjenigen Vietnams in Kambodscha. Hinzu kam der wachsende sowjetische Einfluss auf Nordkorea, durch den die UdSSR die Umfassung der für China so wichtigen Mandschurei hätte vollenden können. Auch nahm der Kreml den in Vietnam gelegenen Flottenstützpunkt Cam Ranh in Betrieb. Dadurch war seine Pazifikflotte in der Lage, die Seerouten der fernöstlichen Staaten zu bedrohen und diese so zu Entgegenkommen zu zwingen. Seit Mitte der 1980er Jahre deckten die im asiatischen Teil der Sowjetunion aufgestellten SS-20-Mittelstreckenraketen fast das gesamte asiatische Festland, Japan und die Hälfte der Philippinen ab. Dadurch sollte der politische Druck auf diese Staaten erhöht werden.

Indien

Zu Indien blieben die sowjetischen Beziehungen ambivalent. Einerseits geriet das Land durch seine wirtschaftliche Abhängigkeit in das politische Fahrwasser des Kremls und unterstützte deshalb auch dessen Afghanistan-Politik. Andererseits weigerte sich Neu-Delhi, sich der gegen China gerichteten Einkreisung anzuschließen. Auch plädierte es für den Rückzug sowohl der USA als auch der UdSSR aus dem Indischen Ozean. Dies lehnten beide Weltmächte ab.

Osteuropa
Ausbau des RGW

Seit 1971 hatte die Sowjetunion versucht, ihre eigene wirtschaftliche Basis durch die volle Einbeziehung der Vasallenstaaten in ihr ökonomisches System zu erweitern. Allerdings entzogen sich die Länder Osteuropas der länderspezifischen Aufteilung der Produktionsgebiete und entsprechenden Austauschvereinbarungen im Rahmen des RGW. Moskau nahm dies zunächst hin, zwang ihre Satelliten aber, nachdem sich die ideologischen Bindungen im Ostblock zu lockern begannen, 1980 zur Intensivierung des RGW-Handels. Dieser wurde aber durch die Lieferung billigen Erdöls und den Aufkauf minderwertiger osteuropäischer Fertigwaren zum Weltmarktpreis teuer subventioniert.

Die Intervention in Polen

Zur selben Zeit befand sich die Sowjetunion in Polen in einem Dilemma. Das Land drohte ihrem Machtbereich zu entgleiten. Dies hätte den Abfall anderer osteuropäischer Staaten und der westlichen Randrepubliken der UdSSR nach sich ziehen können. Eine militärische Intervention schien nötig. Sie verbot sich aber im Hinblick auf eine dann möglich werdende übermächtige Allianz des Westens mit China. Den Ausweg bildete die 1981 in Polen eingeführte Militärdiktatur. Durch sie blieb Osteuropa ein fester Bestandteil des sowjetischen Herrschaftsraumes und  die befürchtete globale anti-sowjetische Allianz kam nicht zustande.

Gorbatschows „Uskorenje“

Zwischen 1973 und 1985 hatte die Sowjetunion eine beachtliche weltpolitische Stellung erlangt. Jedoch waren weder Westeuropa noch China als Gefahrenquellen ausgeschaltet worden. Um dies zu erreichen war es nötig, die militärische Schlagkraft der UdSSR weiter auszubauen. Dies war aber infolge der ökonomischen Situation des Kremls schlicht nicht möglich. So hatte die jahrzehntelange wirtschaftliche Bevorzugung des militärischen Sektors dazu geführt, dass Moskau die elementaren Bedürfnisse seiner Bevölkerung nicht mehr befriedigen konnte. Dies machte ökonomische Reformen nötig, welche die neue Führung um Gorbatschow ab 1985 in Angriff nahm. Sie sollten dazu führen, dass der Weltmachtstatus des roten Riesenreiches erhalten blieb.

Osteuropa

In Bezug auf Osteuropa erneuerte Moskau seine Versuche, die Satellitenstaaten stärker
militärisch und wirtschaftlich einzubinden. Dazu wollte Moskau die Einsatzfähigkeit der Armeen Osteuropas heben, sie stärker der sowjetischen Kontrolle unterwerfen und deren Regierungen vermehrt zur Heeresfinanzierung heranziehen. Scheitern tat die ökonomische Straffung des RGW. Gorbatschow wollte die Volksdemokratien in dessen Rahmen in einen „gemeinsamen Markt“ integrieren, welcher seine Reformen unterstützen sollte. Allerdings fehlten die wirtschaftlichen Voraussetzungen für diese stärkere Zusammenfassung.

Westeuropa

Ähnlich seinen Vorgängern wollte Gorbatschow die Westeuropäer von Washington trennen. Dazu plante er die Schaffung eines „gemeinsamen europäischen Hauses“. Es sollte ein Organ zur politischen Koordinierung der europäischen Staaten sein und schloss die USA aus: Hätten die EG-Staaten dem zugestimmt, hätten sich die USA aus dem westlichen Europa zurückziehen müssen. Zugleich sollte durch diese diplomatische Offensive eine militärische Integration der EG verhindert werden. Dazu war die UdSSR bereit, ihre im konventionellen Bereich und bei Kurz- sowie Mittelstreckenraketen bestehende militärische Überlegenheit abzubauen. Zum dritten wollte der Kreml neue Handelsbeziehungen zu Westeuropa aufnehmen, um die sowjetische Wirtschaft durch Technologieimporte zu modernisieren.

Die Perestroika: Die UdSSR zieht sich zurück

Als sich die „Uskorenje“ als nicht ausreichend erwies, weitete Gorbatschow seine Reformpolitik ab 1987 zur „Perestroika“ aus. Der Umbau wurde nun auf den politischen Bereich ausgeweitet und sollte zu einer stärkeren Demokratisierung der KPdSU führen. Dies beendete die vom Politbüro seit 1917 aufrechterhaltene Diktatur über die Partei, den Staat, die Wirtschaft und Kultur. Anstatt dass sich die Situation aber besserte, rutschte die UdSSR nun Schritt für Schritt in Chaos ab. Dies hatte für ihre Außenpolitik weitreichende Folgen.

Der Orient

Am Indischen Ozean begann die Stellung der UdSSR seit 1987 zu erodieren. 1989 zog sie sich aus Afghanistan zurück. Zeitgleich stellte Moskau seine Waffenlieferungen an den Irak, Syrien, Libyen und die PLO ein. Als es 1990/91 im Zuge der Krise um Kuwait zu einem erneuten Krieg am Persischen Golf kam, blieb die Sowjetunion Zaungast. Gorbatschows Angebot, zwischen Washington und Bagdad zu vermitteln, wurde von den USA abgelehnt. Tatsächlich errangen sie einen vollständigen militärischen Sieg über den Irak. Ebenso wiesen die Vereinigten Staaten sowjetische Offerten zur Neutralisierung des Indischen Ozeans zurück.

Der Ferne Osten

In Ostasien scheiterten Mitte der 1980er Versuche, Nordkorea und Japan für den um China zu legenden Einkreisungsring zu gewinnen. Dieser musste im Gegenteil aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Krise im Inneren von der sowjetischen Führung gelockert werden. So wurden die Truppen in Afghanistan und der Mongolei reduziert sowie wirtschaftlich-technische Beziehungen zu Peking aufgenommen. 1989 wurde der Versuch der Einkreisung Chinas endgültig aufgegeben. Der Kreml zog seine Truppen aus Afghanistan und der Mongolei zurück und bewog Vietnam zum Rückzug aus Kambodscha.

Osteuropa

Aufgrund seiner finanziellen Not sowie der Notwendigkeit um gute Beziehungen zum Westen verzichtete Moskau auf seine ständige und finanziell aufwändige Drohung einer Militärintervention in Osteuropa. Gorbatschow setzte in den Volksdemokratien stattdessen auf in freien Wahlen siegreiche Reformkommunisten. Diese sollten die Bande zur UdSSR freiwillig aufrechterhalten. Die daraus abgeleiteten Reformen wurden zuerst in Polen und Ungarn umgesetzt. An deren Ende stand Anfang 1989 aber die friedliche Machtübernahme durch die demokratische Opposition. Nicht erfolgreicher war die sowjetische Politik in der DDR, CSSR, Rumänien und Bulgarien. Deren reformunwillige Führungen wurden zwar mit Billigung Gorbatschows im Oktober 1989 abgesetzt. Aber auch hier entwickelten sich Fliehkräfte Richtung EG und NATO.

Die sowjetischen Konservativen wollten den osteuropäischen Sicherheitsgürtel durch den Einsatz von Gewalt erhalten. Freilich war die Sowjetunion aufgrund ihrer innenpolitischen Situation nicht mehr in der Lage, diese Planungen umzusetzen. So versuchten die Reformer um Gorbatschow, Osteuropa seit Herbst 1990 durch Drosselung der Energieträgerlieferungen zu einer sowjetfreundlichen Außenpolitik zu zwingen. Dies scheiterte, und im Juni 1991 lösten sich die ehemaligen Volksdemokratien aus dem RGW und im Juli aus dem Warschauer Pakt.

Westeuropa
Die Deutsche Wiedervereinigung

Um die als solche empfundene von Westeuropa ausgehende militärische Bedrohung auszuschalten, schlug die UdSSR zu Beginn der 1950er Jahredie Wiedervereinigung und Neutralisierung Deutschlands vor. Dadurch wäre die BRD aus dem Orbit der Westmächte herausgelöst worden. Die USA, Großbritannien und Frankreich lehnten die Offerte aber ab und integrierten Westdeutschland stattdessen 1955 in die NATO. Nun boten die Sowjets die Auflösung des Warschauer Paktes an, wenn auch die NATO aufgelöst worden wäre. Beide Bündnisse sollten durch eine den europäischen Staaten vorbehaltene gemeinsame Sicherheitsordnung ersetzt werden. Die USA hätten sich infolgedessen aus Westeuropa zurückziehen müssen. Die Westeuropäer aber fürchteten gerade den Verlust des US-amerikanischen Schutzes und lehnten das sowjetische Angebot ab.

Kubakrise und Mauerbau

Im Gegenzug hatte der Westen seinen um die Sowjetunion gelegten Ring von Luft- und Seestützpunkten vollendet. Von ihm aus konnte er den atomaren Erstschlag gegen jeden Winkel der UdSSR führen. Deren Mittelstreckenraketen waren hingegen nur in der Lage, Westeuropa zu bedrohen. Da eröffnete der Sieg sozialistischer Revolutionäre auf Kuba die Möglichkeit, auch die USA nuklear zu gefährden. In der 1962 folgenden Kuba-Krise brach der Kreml aber die Stationierung eigener Raketen mittlerer Reichweite auf der Karibikinsel ab. So blieben die Vereinigten Staaten nur durch die ab 1957 in Betrieb genommenen ICBMs in Reichweite Moskauer Atomwaffen.

Den nächsten Versuch, die westliche Einheitsfront zu durchbrechen, unternahm die UdSSR nicht lange nach dem Mauerbau 1961. Sie bot erneut die Wiedervereinigung Deutschlands an. Allerdings unter der Bedingung, dass die BRD aus der NATO ausschied, die sowjetische Hegemonie in Osteuropa aber unangetastet blieb. Der Westen lehnte erneut ab und die bundesdeutsche Westintegration war nicht mehr rückgängig zu machen. Auch war der Rückzug der USA aus Westeuropa unwahrscheinlich. Folglich bemühte sich Moskau nun um die Zusammenarbeit mit Frankreich. Paris wollte die seit 1945 bestehenden Juniorpartnerschaft zu Washington überwindenund dazu einen unter seiner Führung stehenden westeuropäischen Staatenbund gründen. Dieser hätte sich, so die Hoffnung im Kreml, aus dem Bündnis mit den USA gelöst.

Auf dem Weg zur KSZE

Dies erhielt neue Nahrung, als sich Anfang der 1970er Jahre das Scheitern der USA in Vietnam abzeichnete. Die EG-Staaten machten sich nun auf den teilweisen Rückzug Washingtons aus Westeuropa gefasst, während ein solcher der UdSSR aus Osteropa unwahrscheinlich war. Als Folge dessen debattierten die Westeuropäer über die Möglichkeit einer mit Atomwaffen ausgestatteten europäischen Militärgemeinschaft. Um sie zu verhindern und auch ihre Anerkennung des eigenen Herrschaftsbereiches in Osteuropa zu erlangen, nahm die UdSSR Verhandlungen mit den westueropäischen Staaten auf. Ziel war die Gründung eines die USA ausschließenden kollektiven europäischen Sicherheitssystem.

Die Vorgespräche für diese KSZE endeten mit diplomatischen Erfolgen der Sowjetunion. Mit den USA einigte man sich in den SALT-Verhandlungen von 1972 auf das Einfrieren des nuklearen Gleichstandes. Auch erkannte Washington die konventionelle militärische Überlegenheit der Sowjetunion in Europa an, welche für Moskau eine Kompensation für seine in anderen Teilen der Welt bestehende Unterlegenheit darstellte. 1973 nahmen dann die EG und der RGW  Verhandlungen über den Ausbau des West-Ost-Handels auf. Bezüglich des Sicherheitssystems aber konnte sich der Kreml mit seinen Wünschen nicht durchsetzen. So bestanden die Westeuropäer auf der Teilnahme der USA an der KSZE.

Der Orient und Indische Ozean
CENTO und Panarabismus

Während der Zwischenkriegszeit hatten die Türkei, der Iran und Afghanistan eine Pufferzone zwischen der UdSSR und den orientalischen bzw. indischen Besitzungen der Westmächte gebildet. Nach den Zweiten Weltkrieg erachtete Moskau das entstandene System der Nichtangriffspakte als nicht mehr ausreichend. So versuchte es ab 1949, die drei Staaten fest in seinen Hegemonialblock zu integrieren. Der sowjetische Druck hatte aber die gegenteilige Wirkung. Mit Ausnahme Afghanistans schlossen sich die Betroffenen Anfang der 1950er Jahre im Rahmen der CENTO dem westlichen Verteidigungssystem an. Aus diesem ließen sie sich auch nicht durch mehr politisches Entgegenkommen der Sowjetunion herauslocken.

Um die nun drohende Entstehung einer westlichen Aufmarschbasis zu verhindern, bemühte sich Moskau seit Mitte der 1950er Jahre um gute Beziehungen zu den im Rücken der CENTO befindlichen arabischen Staaten. Dies sollte die orientalische Position der Westmächte unterminieren. In der Tat gelang es der sowjetischen Diplomatie bis 1958, Ägypten, Syrien, Nordjemen und den Irak für eine Kooperation zu gewinnen. Das Projekt einer engen Föderation zwischen diesen Staaten scheiterte indessen 1961 am Führungsanspruch Kairos. Derweil war Indien als Eckpfeiler einer möglichen Aggression der Westmächte gegen die Sowjetunion ausgefallen. So hatte das Land 1947 seine Unabhängigkeit erlangt und zeigte sich an einer engen Kooperation mit der Sowjetunion interessiert. Diese sollte die westliche Vorherrschaft im Indischen Ozean brechen und eine von China ausgehende Revolutionierung der Region verhindern.

Sowjetische Expansionspläne

Seit Mitte der 1960er Jahre baute die Sowjetunion seit ihre Kriegsflotte, Marineinfanterie und Lufttransportkapazitäten aus. Sie sollten vor allem an den für die Erdölversorgung des Westens neuralgischen Punkten eingesetzt werden: Dem östlichen Mittelmeer, dem Roten Meer, im Indischen Ozeans und im Golf von Bengalen. Durch die Bedrohung ihrer Erdölzufuhr hätte Moskau die EG zu politischen Zugeständnisse zwingen und sie womöglich von den USA trennen können. Die gänzliche Abschnürung der Westmächte vom Erdöl des Persischen Golfs war allerdings nicht beabsichtigt, da dies wegen des Ost-West-Handels indirekt auch den Volkswirtschaften im Ostblock geschadet hätte.

Entsprechend dieser Pläne verstärkten die Sowjets ihre Präsenz im Nahen und Mittleren Osten nachdem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Moskau hoffte, durch den Einsatz seiner maritimen Streitkräfte die arabischen Staaten zur Gänze auf seine Seite ziehen zu können. Um zugleich die CENTO zu sprengen, nahm die UdSSR seit 1969 Entwicklungshilfen an Pakistan, den Iran und die Türkei auf. Diese sollten zusammen mit Afghanistan, Indien und dem Irak zu einer wirtschaftlichen Kooperationszone zusammengefasst und stärker mit dem sowjetischen Herrschaftsbereich verzahnt werden. Damit wäre für den Kreml der Durchbruch in den Indischen Ozean erreicht gewesen.

Ausbau der strategischen Position

Tatsächlich konnte die Türkei partiell aus NATO und CENTO herausgelöst und damit der Zugriff auf das östliche Mittelmeer gesichert werden. Anschließend bauten die Sowjets ihre Position an den Ausgängen des Roten Meeren aus. 1970 gewannen sie in Ägypten militärische Stützpunkte in der Nähe des Suez-Kanals. An der Straße von Bab-al-Mandab waren bereits 1968 die Häfen Hodeida, Aden und Berbera ausgebaut worden. Wenig später gewann die UdSSR Flottenstützpunkte im irakischen Umm Qasr am Persischen Golf sowie an der indischen Küste des Golfes von Bengalen hinzu.

1969 putschten sich sozialistisch orientierte Offiziere im Sudan und in Libyen an die Macht. Parallel dazu wurden Ägypten und Syrien wieder hochgerüstet. Ihren Plänen einer Rückeroberung der 1967 verlorenen Gebiete widersetzte sich Moskau aber. Als beide Staaten im Oktober 1973 dennoch den Yom-Kippur-Krieg vom Zaume brachen, stellte sich der Kreml dennoch hinter sie. Er wollte dadurch einen Einflussverlust im Orient vermeiden. Die Kämpfe endete indessen mit einem erneuten Sieg Israels. Daher wandte sich Ägypten von der UdSSR ab und den USA zu.

Der Ferne Osten
China als sowjetischer Verbündeter

Um dort keinen Gefahrenherd entstehen zu lassen, hatte die Sowjetunion nach Ende des Zweiten Weltkrieges ein schwaches und von westlichen Truppen freies China gewünscht. Nach der 1949 erfolgten kommunistischen Machtergreifung konnte das Land allerdings in das sowjetische Vorfeldsystem integriert werden. Um es gegen einen möglichen über Korea, Taiwan und Indochina geführten westlichen Angriff zu schützen, belieferte Moskau Peking mit Waffen. Diese Hilfe versetzte China in die Lage, den USA im Koreakrieg ein Remis abzutrotzen. Da etwa gleichzeitig die kommunistischen Viet Minh den Krieg in Indochina zu ihren Gunsten entschieden, fiel die Bedrohung der Volksrepublik China weg. Peking forderte nun die gleichberechtigte Partnerschaft mit der Sowjetunion ein. Tatsächlich gab Moskau seine Ansprüche auf die Mandschurei und den Sinkiang gegen die Anerkennung seiner Hegemonie über die Mongolei auf.

Der sino-sowjetische Bruch

Die auf diese Weise gewonnene Unabhängigkeit ermöglichte es Peking, ab Mitte der 1950er Jahre anders als die Sowjetunion am Stalinismus und der Revolutionierung Asiens festzuhalten. Zum offenen Bruch kam es dann 1963. China versuchte, der UdSSR die Führung im Weltkommunismus streitig zu machen. Tatsächlich sicherten sich die Chinesen den entscheidenden Einfluss auf die kommunistischen Parteien Südostasiens. Um dem zu begegnen und um sie für die sowjetische Version des Sozialismus zu gewinnen, nahm Moskau die Unterstützung von deren bürgerlichen Widersachern auf. Neutral blieben Nordkorea und Nordvietnam. Ersteres sicherte sich durch Lavieren einen maximalen Grad an Autonomie. Letzteres hingegen durfte weder Moskau noch Peking vergraulen, da es in dem seit 1957 geführten Vietnamkrieg die Unterstützung beider benötigte. Hanoi entschied sich erst 1973 definitiv für die Sowjetunion.

Der sowjetische Einkreisungsring

Das sowjetisch-chinesische Verhältnis verschlechterte sich infolge der von Mao Tse-Tung zwischen 1966 bis 1968 initiierten Kulturrevolution weiter. Folge waren militärische Zwischenfälle an der gemeinsamen Grenze. Auf einen größeren Waffengang ließ es der Kreml indessen nicht ankommen. Stattdessen sollte China durch ein es einkreisendes kollektives Sicherheitssystem in Asien kaltgestellt werden. Allerdings konnten weder die in der ASEAN zusammengeschlossenen Staaten Südostasiens noch die USA und Japan dafür gewonnen werden. Letztere näherten sich im Gegenteil ab 1972 China sogar an.

Osteuropa
Im Zeichen des “Tauwetters”

Nach dem Tod Stalins im März 1953 begann das sowjetische Vorfeld in Osteuropa zu erodieren. Hier hatten Industrialisierung, Zwangskollektivierung und hohe Rüstungsausgaben zum raschen Absinken des Lebensstandards geführt. Entsprechend war die Bevölkerung gegen die Sowjetunion aufgebracht. Dieser Unmut konnte sich entladen, als die sowjetische Führung infolge des „Tauwetters“ die Zügel gegenüber den osteuropäischen Staaten lockerte. In Polen und Ungarn ergriffen, von Massendemonstrationen unterstützt, Nationalkommunisten die Macht. Da sie die Bindungen zur UdSSR lockern wollten, sah sich Moskau 1956 zur Intervention gezwungen. In Warschau und Budapest setzte sie ihr treue Nationalkommunisten ein. Sie durften gegen Anerkennung der sowjetischen Vorherrschaft eine vom Moskauer Vorbild abweichende Innenpolitik führen.

Der seit 1957 eskalierende ideologische Streit mit China schwächte die Stellung der UdSSR auch gegenüber den osteuropäischen Staaten. So sah sich Moskau nicht mehr in der Lage, diese an Sonderentwicklungen zu hindern. Albanien fiel komplett ab. Rumänien emanzipierte sich wirtschaftlich und außenpolitisch vom Kreml, ohne aber die Bindungen zum Warschauer Pakt und zum RGW zu kappen. Gegen die Abtrünnigen verhängte Wirtschaftssanktionen zeitigten keinen Erfolg. Zudem begann mit der DDR das Kernstück des sowjetischen Verteidigungssystems in Europa wegen West-Berlin zu kriseln. Sie konnte sich erst wieder konsolidieren, nachdem im Sommer 1961 die Berliner Mauer errichtet worden.

Der Prager Frühling

Nun aber gewann der Nationalismus in Osteuropa an Stärke. Obwohl er sich auch gegen die sowjetische Vorherrschaft in der Region wandte, stabilisierte er sie paradoxerweise wieder. Dies, da sich die nationalistischen Auswüchse auch gegen die jeweiligen Nachbarstaaten richteten. Dadurch behielt Moskau seine Schiedsrichterrolle in Grenzfragen bei. Insbesondere die DDR, Polen und die Tschechoslowakei fürchteten westdeutsche Gebietsforderungen und glaubten, des sowjetischen Schutzes nicht entbehren zu können. So war Moskau der Meinung, seinen Vasallen weitere wirtschaftspolitische Freiheiten gewähren zu können.

Dies ermöglichte es der Tschechoslowakei 1968, den als „Prager Frühling“ bekannt gewordenen Reformkurs zu initiieren. Dieser drohte in sowjetischen Augen nun aber auch die DDR und Polen mitzureißen und damit den militärischen Schutzschirm in Ostmitteleuropa zu zerstören. Daher intervenierte der Warschauer Pakt im August des Jahres in Prag militärisch. Gegenüber Rumänien und dem 1948 abgefallenen Jugoslawien hielt sich Moskau aber zurück. Zum einen wollte es hier einem Partisanenkrieg ausweichen. Zum anderen maß es dem Balkan nicht ein ebensolches Gewicht bei wie Mitteleuropa.

Die Ostverträge

Um im Fernen Osten Handlungsfreiheit zu gewinnen, war die UdSSR bereit, den Status West-Berlins zu akzeptieren. Dafür verlangte sie von der BRD den Verzicht auf Atomwaffen und auf Gebietsansprüche gegenüber den sowjetischen Vasallen in Ostmitteleuropa. Die damit einhergehende Detente, vertraglich in den ab 1970 abgeschlossenen Ostverträgen geregelt, ließ Moskau einen Zweifrontenkonflikt vermeiden. Sie ebnete auch der Entspannung in Europa den Weg. Diese aber ließ die Gefahr des westdeutschen „Revanchismus“ als gemeinsame Klammer entfallen, so dass sie die Bindungen der osteuropäischen Staaten an die Sowjetunion lockerte. Diese widersetzten sich dann auch erfolgreich der weitergehenden wirtschaftlichen Gleichschaltung durch den Kreml und setzten stattdessen konsumorientierte Reformen in Gang. Als Kompensation straffte Moskau aber seine militärische Kontrolle: Die Breschnew-Doktrin verkündete 1968 das Interventionsrecht der UdSSR in die Angelegenheiten ihrer osteuropäischen Verbündeten.

Bürgerkrieg und Weltrevolution

Im November 1917 entmachteten die Bolschewiki die Provisorische Regierung. Anschließend brachten sie fast das gesamte ehemalige Zarenreich unter Kontrolle. Nur Polen, Finnland, Bessarabien und die baltischen Provinzen konnten sich ihrem Zugriff entziehen. Auch Weißrussland, die Ukraine und Transkaukasien erhielten formell die Unabhängigkeit. Jedoch standen sie weiter unter der Kuratel Moskaus und schlossen sich schon 1922 mit Sowjetrussland zur UdSSR zusammen.

Gegenüber dem Ausland verfolgte das sowjetische Regime unterschiedliche Ziele. Einerseits war man an stabilen wirtschaftlichen Beziehungen mit ihm interessiert. Andererseits wollte man die kapitalistische Welt durch die Komintern revolutionieren. So unterstützten die Bolschewiki nach 1921 auch mehrere erfolglose revolutionäre Anläufe in Europa und China.

Die Angst vor dem antibolschewistischen Kreuzzug

Zugleich sorgte sich Moskau vor einem von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges getragenen antibolschewistischen Kreuzzug. Tatsächlich hatten die Alliierten bereits während des Russischen Bürgerkrieges gegen die Bolschewiki interveniert. Um nun ein erneutes Eingreifen zu verhindern, musste Deutschland von der Entente ferngehalten werden. Daher schloss die UdSSR 1922 mit dem Deutschen Reich den Vertrag von Rapallo. Dieser sah militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit vor. Doch schon 1924/25 setzte mit dem Dawes-Plan und Locarno-Vertrag ein Tauwetter zwischen der Entente und Deutschland ein. Die deutsche Westbindung konnte aber seitens der Sowjetunion durch den 1926 geschlossenen Berliner Vertrag verhindert werden.

Um nicht zu sehr von Berlin abhängig zu sein bemühte sich die UdSSR um gute Beziehungen auch zur Entente. So arbeitete man seit 1926 sicherheitspolitisch und wirtschaftlich mit ihr zusammen. Dennoch blieb die Lage angespannt. Denn die Siegermächte verübelten den Bolschewiki die Verstaatlichung der größtenteils in ausländischem Besitz befindlich gewesenen russischen Industrie. Ebenso die unilaterale Streichung der zaristischen Auslandsschulden. Auch hielten sie die Sowjetunion durch ihr Bündnis mit der Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Jugoslawien aus Ostmitteleuropa heraus.

Bemühungen um Nichtangriffspakte

Parallel zu den Bemühungen, zur Entente und zum Deutschen Reich gute Beziehungen aufzubauen, versuchte die sowjetische Regierun, einen Sicherheitsgürtel um die UdSSR zu legen. Dazu diente ein engmaschiges Netz bilateraler Nichtangriffspakte, so wie sie mit der Türkei, Persien, Afghanistan und Litauen realisiert wurden. Hingegen scheiterten die Verhandlungen mit Polen, Lettland und Estland. Dennoch hatte die sowjetische Außenpolitik bis Mitte der 20er Jahre eine Einheitsfront der kapitalistischen Großmächte gegen die UdSSR verhindert. Zudem war sie nun als feste Größe im Weltmarkt etabliert.

Der entscheidende Durchbruch zur Weltrevolution zeichnete sich indessen nicht ab. Daher gewann Stalins Diktion vom „Aufbau des Sozialismus in einem Lande“ in der sowjetischen Führung an Zugkraft. Dieser wurde ab 1929 in Gang gesetzt und sollte durch das Litvinov-Protokoll gegen Großbritannien und Frankreich abgeschirmt werden. Ihm schlossen sich Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Persien und die Türkei an.

Die nationalsozialistische Gefahr

Etwa zeitgleich zum Beginn der Zwangskollektivierung und Industrialisierung begann im Ausland die Weltwirtschaftskrise. Innenpolitisch gebunden, konnten die Bolschewiki sie nicht zur Revolutionierung der kapitalistischen Staaten nutzen. So mussten sie tatenlos zuschauen wie im von den ökonomischen Verwerfungen besonders stark betroffenen Deutschen Reich die rechtsextreme NSDAP an Zulauf gewann. Im Januar 1933 wurde Hitler Reichskanzler. Damit gelangte in Berlin eine Kraft an die Macht, welche den Bolschewismus vernichten wollte. Folgerichtig beendete Deutschland 1934 die militärische Zusammenarbeit mit Moskau. Auch schloss es einen Nichtangriffspakt mit Polen, welches ihm als Aufmarschgebiet gegen die UdSSR dienen konnte. Diese wiederum schloss mit der Türkei, Afghanistan, Persien, Estland, Lettland, Polen sowie Rumänien einen multilateralen Nichtangriffspakt ab.

Wider sowjetisches Erwarten zerstritt sich Hitler mit den Westmächten. Dies gab dem Kreml die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit London und Paris zu suchen. Tatsächlich arbeiteten Moskau und Frankreich seit 1934 gegen die von Deutschland ausgehende Gefahr zusammen. Beide Mächte wünschten den Abschluss eines „Ostpaktes“ unter Einschluss Deutschlands, Polens, der Tschechoslowakei, der baltischen Staaten und Finnlands. Das Vertragswerk sollte durch Frankreich garantiert werden. Die UdSSR hingegen würde zum Garanten des Vertrages von Locarno aufsteigen. Allerdings scheiterte das Projekt nicht nur an der Ablehnung Deutschlands, sondern auch der Polens und der baltischen Staaten.

In Reaktion darauf schlossen Frankreich und die Sowjetunion 1935 unter Einschluss der Tschechoslowakei einen Beistandspakt. Dieser blieb aber ohne Militärkonvention und damit ohne militärische Absprachen. Dafür bestanden seitens Moskaus zu Großbritannien kaum mehr Spannungen. So schien 1937 eine trilaterale Zusammenarbeit zwischen London, Paris und Moskau zur Eindämmung Hitlers möglich. Die nun einsetzenden stalinistischen „Säuberungen“ führten aber zur starken militärischen Schwächung der UdSSR. Großbritannien und Frankreich 1938 verzichteten in der Folge darauf, Österreich und der Tschechoslowakei gegen das Deutsche Reich beizustehen.

Die japanische Gefahr

Eine weitere Gefahr erwuchs Moskau in Japan. Dieses hatte seit 1919 sein machtpolitisches und wirtschaftliches Monopol in China angemeldet. Nach Besetzung der Mandschurei durch japanische Truppen 1931 drohte Tokio Druck auf die sowjetischen Fernostprovinzen und die Mongolei auszuüben. Letztere war seit dem Bürgerkrieg ein Vasall der UdSSR. Aufgrund des inneren Umbaus zur Kriegführung nicht in der Lage, setzte der Kreml auf einen die Sowjetunion, Japan, China und die USA umfassenden „Fernostpakt“. Als dieser aber nicht zustande kam, ging der Kreml seit 1935 zu einem Beschwichtigungskurs über. So wurden die sowjetischen Rechte an der Mandschurischen Eisenbahn noch im selben Jahr aufgegeben. Dennoch schloss Tokio im folgenden Jahr mit Hitler den gegen die Sowjetunion gerichteten „Antikominternpakt“. Eine spürbare Entlastung brachte dann erst der 1937 begonnenen Angriff Japans auf China. Um Tokio dort dauerhaft zu binden, schloss der Kreml mit der Kuomintang einen Nichtangriffspakt ab und verpflichtete sich zur Unterstützung Chinas.

Diplomatische Möglichkeiten

Die von den Westmächten 1938 geübte Zurückhaltung gegenüber Hitler interpretierte Stalin dahingehend, dass sie Deutschland gegen die Sowjetunion lenken wollten, um von ihr überlebenswichtige Teile wie die Ukraine abzusprengen oder sie gänzlich zu zerschlagen. So hielt man im Kreml einen von Großbritannien, Frankreich und den USA geduldeten gemeinsamen Angriff Berlins und Tokios auf die UdSRR für möglich. Oder aber einen deutschen Alleingang bei ungeklärter Haltung Japans. Diesen Angriff konnte die UdSSR kaum abwehren, solange ihre militärische Schlagkraft nicht wiederhergestellt war. Dies war frühestens für 1942 zu erwarten. So musste die Attacke mit diplomatischen Mitteln verhindert werden. Daher sollten Deutschland und Japan gegen die Westmächte gelenkt werden. Moskau würde dann, sobald es sich von seiner inneren Schwäche erholt hatte, in den dadurch ausgelösten Krieg eingreifen und die militärische Entscheidung zu seinen Gunsten erzwingen.

Der Hitler-Stalin-Pakt

Die Chance auf ein Arrangement mit Hitler bot sich im Sommer 1939, als sich dieser mit den Westmächten über Polen zerstritt. Großbritannien und Frankreich wollten dem Deutschen Reich durch ein Bündnis mit Moskau eine mächtige Koalition entgegenstellen und es dadurch zum Einlenken zwingen. Stalin wollte dies aber verhindern. Er rechnete in diesem Fall damit, dass sich Berlin schlussendlich mit dem Westen arrangieren und so freie Hand gegenüber der UdSSR erhalten würde. Stattdessen wollte der sowjetische Parteichef Hitler in einen Krieg mit London und Paris verwickelt sehen. Durch den Abschluss eines Nichtangriffspaktes ermutigte er diesen zum militärischen Vorgehen gegen Polen. Im 1939 unterzeichneten „Hitler-Stalin-Pakt“ einigte sich der Kreml mit Berlin auf die Aufteilung Ostmitteleuropas. Das östliche Polen und die baltischen Staaten wurden sowjetisch. Westpolen fiel hingegen an das Deutsche Reich.

Danach überzog die Sowjetunion Finnland mit Krieg. Um nicht in einen Konflikt mit dem Westen hineingezogen zu werden, verzichtete sie aber auf dessen Annexion. Stattdessen begnügte sich die UdSSR mit der Gewährung von Transitrechten nach Skandinavien. Ebenfalls zurückhaltend agierte Moskau gegenüber Bulgarien und der Türkei. Tatsächlich betrachteten Großbritannien und Frankreich die UdSSR als einen Partner Hitlers, zugleich aber auch als potentiellen Verbündeten gegen ihn.

Die Kontinentalallianz

Die sowjetische Führung hatte 1939 mit einem langen Abnutzungskrieg im Westen Europas und der schlussendlichen Niederlage Deutschlands gerechnet. Letzteres sollte durch Warenlieferungen unterstützt werden, um die als zukünftige Bedrohung geltenden Westmächte maximal zu schwächen. Diese sowjetischen Pläne wurden aber durch den schnellen Zusammenbruch Frankreichs im Sommer 1940 über den Haufen geworfen. Nun schien ein Arrangement Großbritanniens mit Hitler möglich. Dieses hätte es ihm erlaubt, sich mit allen Kräften gegen die Sowjetunion zu wenden.

Allerdings verweigerte London Berlin einen Ausgleich. Auch traten die USA verstärkt an die Seite des Vereinigten Königreiches. Daher rechnete man im Kreml damit, dass sich Deutschland nicht gegen die UdSSR wenden würde, solange es diese beiden Mächte nicht besiegt hätte. Bis zur angenommen Kriegsbereitschaft der Roten Armee 1942 sollte daher jede Provokation der deutschen Seite vermieden werden. Daher lehnte Stalin britische Bündnisangebote ab und wich vor Deutschland in Rumänien und Bulgarien zurück.

Freilich ging der Kreml auch weiterhin davon aus, dass Deutschland den Krieg im Westen verlieren würde. Als der eigentliche Gegner galten daher die angelsächsischen Mächte. Die UdSSR sollte durch eine Pufferzone gegen sie abgeschirmt werden. Entsprechend lehnte Moskau deutsche Vorstöße über die Bildung einer Kontinentalallianz unter Einschluss Tokios und Roms ab. Diese hätten zwar die Anerkennung der sowjetischen Vorherrschaft über Persien, Afghanistan und Indien gebracht, aber die UdSSR auch in einen Krieg mit dem Westen verwickelt.

Die sowjetischen Forderungen vom Herbst 1940

Stattdessen präsentierte der Kreml im Herbst 1940 seine Gegenforderungen. So knüpfte er die Beibehaltung der wohlwollenden soejetischen Neutralität an Bedingungen. Finnland und das westliche Polen sollten als sowjetische Einflusszonen anerkannt, Schweden und Dänemark an den Ostseeausgängen hingegen neutralisiert werden. Im Süden wären Rumänien und Bulgarien zu sowjetischen Protektoraten umzuwandeln und die türkischen Meerengen der Kontrolle durch die Bolschewiki zu unterstellen. Auch hatte Berlin das Interesse der Sowjetunion an Ungarn, Jugoslawien und Griechenland anzuerkennen. Von Japan schließlich forderte die UdSSR die Rückgabe des 1905 verlorengegangenen Südsachalins und der nördlichen Kurilen.

Für Hitler waren damit die Würfel gefallen: Er würde sich den sowjetischen Forderungen nicht beugen. Stattdessen wollte er versuchen, die Sowjetunion, solange dies in Anbetracht der wachsenden US-amerikanischen Intervention noch möglich war, zu zerschlagen. Japan konnte indessen nicht für den Überfall gewonnen werden. Tokio wollte die UdSSR erst dann angreifen, wenn diese in Europa entscheidend geschlagen war. Stalin glaubte indessen nicht, dass Berlin einen Zwei-Fronten-Krieg wagen würde. Den sich nun vollziehenden deutschen Truppenaufmarsch an der sowjetischen Grenze betrachtete er daher lediglich als Druckmittel zur Erzwingung eines Bündnisses. Dem sollte durch allein diplomatische Mittel begegnet werden.

Der „Große Vaterländische Krieg“

Als das Deutsche Reich Ende Juni 1941 in der Sowjetunion einfiel, war die Rote Armee denkbar schlecht darauf vorbereitet. Dies führte dazu, dass zahlreiche ihrer Einheiten in unmittelbarer Grenznähe und dahinter eingekesselt und aufgerieben wurden. Die USA und Großbritannien konnten vorläufig nicht helfen. So hing das Schicksal der UdSSR von ihrer eigenen kriegswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ab. Und tatsächlich schafften die Bolschewiki das scheinbar Unmögliche, stellten in großer Zahl neue Truppen auf und brachten die Wehrmacht im Winter 1941/42 vor Moskau zum Stehen. Zeitgleich fiel Japan als Gefahr endgültig aus, da es sich gegen die USA wandte.

Anfang 1942 unterzeichneten Großbritannien und die Sowjetunion einen gegen Deutschland gerichteten Verteidigungspakt. Dieses erneuerte im Sommer 1942 seine Offensive, dieses Mal im südlichen Drittel der Front mit Stoßrichtung auf den Kaukasus und Stalingrad. Sie endete in Anbetracht der inzwischen erreichten Überlegenheit der sowjetischen Kriegswirtschaft in einem Desaster. Ein letztes deutsches Aufbäumen war der Angriff im Kursker Bogen im Juli 1943. Nach seinem Scheitern begann der langsame Rückzug der Wehrmacht aus der UdSSR.

Definition der sowjetischen Kriegsziele

Anfang 1943 hatten die USA und Großbritannien die totale Kapitulation Deutschlands gefordert und der Sowjetunion ihre Bereitschaft zur weiteren Zusammenarbeit auch über das Kriegsende hinaus kundgetan. Stalinaber glaubte, dass die angelsächsischen Mächte die UdSSR im Krieg mit Deutschland ausbluten lassen wollten. Demnach wollten sie sie nach Kriegsende umso einfacher überwältigen. Folglich nahm Stalin seine ursprünglichen Strategie wieder auf: Er bot Hitler Frieden auf Grundlage des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes von 1939 samt Wirtschaftshilfen an. Auf diese Weise hätte Berlin mit allen seinen Kräften gegen die Westalliierten kämpfen können. Die Sowjetunion hätte dann zu einem ihr günstigen Zeitpunkt in die Auseinandersetzung eingegriffen. Da Hitler aber ablehnte, schwenkte die UdSSR aber wieder auf die Festigung ihrer Allianz mit den Westmächten ein und löste die Komintern auf.

Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Moskau eine weiträumigen Absicherung der Sowjetunion gegenüber den angelsächsischen Mächten vornehmen. So sollten die osteuropäischen Staaten Rumänien, Ungarn und Bulgarien unter sowjetische Vorherrschaft fallen und ihre gesellschaftlichen Verhältnisse an die der UdSSR angeglichen werden. In Deutschland sollten hingegen 40% des Reichsgebiets von 1937 unter sowjetische Besatzung fallen. Um gegenüber den angelsächsischen Mächten weiter an Spielraum zu gewinnen, schloss Stalin mit Frankreich ein Bündnis.

Der „Eiserne Vorhang“

1944 erreichte die Rote Armee die Grenzen von 1941. Sie setzte ihre Offensive gegen die Wehrmacht fort und konnte bis 1945 tief nach Mitteleuropa hinein vorstoßen. Den Schlusspunkt des Krieges bildete die Eroberung Berlins. Zugleich rückten die Briten und US-Amerikaner von Westen her nach Deutschland ein.

Während ihres Vormarschesschuf die Sowjetunion vollendete Tatsache: Gegenüber Polen setzte sie durch, dass die 1939 annektierten Gebiete in ihrem Staatsverband verblieben. Anfang 1945 erkannten die Westmächte dann das kommunistische Lubliner Komitee als polnische Regierung an. In der Tschechoslowakeiwurde eine die Kommunisten einschließende bürgerliche Regierung gebildet. Finnland hingegen, das sich 1941 dem deutschen Überfall angeschlossen hatte,wurde abermals mit Rücksicht auf die USA und Großbritannien nicht annektiert. Stattdessen begnügte sich Moskau hier mit der Etablierung von Militärstützpunkten.

Ungarn fiel unter die Regenschaft einer alliierten Kommission, die sowjetisch geführt wurde. Gleichzeitig wollte sich die Sowjetunion in den Besitz der Meerengen bringen. Zu diesem Zweck setzte sie in Rumänien und Bulgarien ihr hörige Regierungen ein und verstärkte den Druck auf die Türkei. Diese sollte sowjetischen Militärstützpunkten am Bosporus und an den Dardanellen zuzustimmen. Um dies zu erreichen, wollte die UdSSR das zu Griechenland gehörende West-Thrakien besetzen. Dadurch wären die Meerengen strategisch umklammert und der Druck auf die Türkei gestiegen. Westliche Proteste führten aber zum Abbruch des Unternehmens. Stattdessen nahm Moskau die indirekte Unterstützung für die kommunistische Erhebung in Griechenland auf. Jugoslawien schließlich fiel infolge des erfolgreichen Kampfes der Tito-Partisanen ebenfalls an das sozialistische Lager.

Der Feldzug im Fernen Osten und der Iran

Im August 1945 wandte sich die Sowjetunion schließlich gegen Japan um ihm die Mandschurei und den nördlichen Teil Koreas zu entreißen. Dadurch wollte die UdSSR ihre strategische Position gegenüber den im Pazifikkrieg siegreichen Westmächten stärken. Das Ziel wurde erreicht. Im Iran, dessen nördlicher teil seit 1941 sowjetisch besetzt war, versuchte Moskau, die Regierungsbeteiligung von Kommunisten durchzudrücken und das Land durch einen Ölkonzessionsvertrag fest an sich zu binden.

Der Kalte Krieg beginnt

1945 war die machtpolitische Rolle Deutschlands und Japans ausgespielt und die UdSSR empfand nun die Westmächte als neue Hauptgefahr. Gegen sie sollte der im Zweiten Weltkrieg gewonnene Einflussbereich zum Sicherheitsgürtel ausgebaut werden. Folglich drängten die Sowjets in Osteuropa und Ostdeutschland die bürgerlichen Kräfte seit 1946 aus den Regierungen. Zusätzlich wurden die hießigen Länder stalinistischen „Säuberungen“ sowie einer Industrialisierung und Zwangskollektivierung unterzogen. Dieses Vorfeld erachtete Moskau aber immer noch nicht als ausreichend und der westeuropäische Aufmarschraum der Westmächte sollte ihnen genommen werden. Entweder durch die Herauslösung Westdeutschlands aus dem westlichen Orbit oder dem Rückzug der US-Truppen aus Westeuropa.

Auf die Westmächte blieb das sowjetische Ausgreifen nicht ohne Wirkung. So entschloss sich Washington 1947, die wirtschaftliche und militärische Integration Westeuropas zu forcieren. Auch Westdeutschland sollte in sie einbezogen werden. Die UdSSR reagierte mit der Etablierung des RGW, dem Aufbau moderner Armeen in den osteuropäischen Staaten und der Gründung der DDR. Einen militärischen Konflikt aber wollte Moskau vermeiden. Daher wich es in Jugoslawien, Griechenland, der Mandschurei und im Iran vor dem Westen zurück. Auch konnte der Kreml nicht verhindern, dass Japan zum gegen die Sowjetunion gerichteten Verbündeten der USA ausgebaut wurde.

Die russisch-französische Allianz

Die Übernahme der Regierungsgeschäfte im Berlin durch Wilhelm II. bedeutete das endgültige Aus für die deutsch-russische Zusammenarbeit. Das das Bündnis mit Großbritannien suchende Deutsche Reich kündigte 1891 den Rückversicherungsvertrag und durchschnitt damit die letzte vertragliche Bindung zum Zarenreich. Alexander III. fürchtete nundie Bildung einer Offensivallianz aus Preußen-Deutschland, Österreich-Unagrn und Großbritannien. Zu Verbesserung seiner Verteidigungsfähigkeit suchte Russland nun eine Defensivallianz mit Frankreich, die 1893 als Zweierentente auch tatsächlich realisert wurde.

Die deutsch-britischen Bündnissondierungen scheiterten indessen. Das Deutsche Reich suchte daher  wieder die Annäherung an Russlan und 1894 wurde ein neuer Handelsvertrag mit St. Petersburg geschlossen. Damit öffnete sich die Möglichkeit, gegen das Osmanische Reich vorzugehen. Inzwischen aber hatte Russland sein Interesse am Fernen Osten wiederentdeckt und überließ den Balkan sich selbst.

Der Ferne Osten: Die Mandschurei und Korea

Im Fernen Osten sollten die finanziellen Mittel für die Modernisierung Russlands erworben werden, um ihm dadurch den machtpolitischen Wiederaufstieg zu ermöglichen. Allerdings wollte das relativ schwache Zarenreich hier Konflikten mit anderen Großmächten aus dem Weg gehen und plante die Durchdringung vor allem Chinas als kommerzielles Unternehmen.

Anders das Verhalten gegenüber Japan, welches Russland nicht als Großmacht betrachtete: Es sollte aus der Mandschurei und Korea verdrängt werden. 1896 erwarb Russland dort die Eisenbahnkonzession und weitere Vorrechte. 1898 pachtete das Zarenreich den eisfreien Hafen von Port Arthur, der an die Transsibirische Eisenbahn angeschlossen wurde. Im Zuge des Boxeraufstandes von 1900 besetzten schließlich russische Trupen die Mandschurei. Für ihren Rückzug verlangte der Zar von China, dem noch immer nominellen Besitzer, weitere Konzessionen in der Mongolei und im Sinkiang.

Der russisch-japanische Krieg

Diesen beachtlichen militärisch-diplomatischen Erfolgen folgte allerdings keine wirtschaftliche Erschließung. Die russische Industrie bot schlicht zu wenig Produkte, um in den Neuerwerbungen einen Absatzmarkt gewinnen zu können. Aus Prestigegründen hielt die russische Machtelite dennoch am Fernen Osten fest. Dies auch dann noch, als sich ab 1903 eine militärische Auseinandersetzung mit Japan ankündigte. Für deren Fall rechnete man in St. Petersburg nämlich mit einem Sieg.

Die Feindseligkeiten zwischen Russland und Japan wurden im Februar 1904 eröffnet. Den Japanern gelang es, Port Arthur einzukesseln und alle Entsatzversuche zu Lande und zur See abzuwehren. Im Januar 1905 musste der Stützpunkt kapitulieren. Danach stießen die Truppen aus dem Land der aufgehenden Sonne nach Norden vor und schlugen die russische Armee in der Schlacht bei Mukden entscheidend. Wenig später erfolgte die Zerschlagung der nach Ostasien entsandten russischen Ostseeflotte in der Seeschlacht von Tsushima. Diese Niederlagen, die im Inland ausgebrochene Revolution und die Schließung des europäischen Kapitalmarkts für russische Anleihen bewogen die zaristische Regierung, um Frieden nachzusuchen. Im folgenden Vertrag von Portsmouth verlor Russland Korea, die Mandschurei und auch Südsachalin.

Persien

Parallel zu den Ereignissen im Fernen Osten hatte Russland auch in Persien versucht, seine politisch-militärische Durchdringung durch eine wirtschaftliche abzuschließen. Zu diesem Zwecke wurde das Nachbarland gegen die Außenwelt abgeschottet. Tatsächlich errang das Zarenreich dort die wirtschaftliche Hegemonialstellung. Seit der Jahrhundertwende wurde diese aber von den Briten bedroht. 1905/06 bot Berlin St. Peterburg dann eine gegen Großbritannien und Japan gerichtete Kontinentalallianz an. Dank dieser hätte es den Kampf um Persien und den Fernen Osten wagen bzw. wiederaufnehmen können.

Der Vertrag von Björkö

Es sprachen allerdings gewichtige Gründe gegen die Annahme des deutschen Angebotes. So hätte die Regierung des Zaren für die Durchsetzung ihrer asiatischen Interessen Truppen aus Europa in den Fernen Osten verlegen müssen. Zudem hätte sie sich bündnispolitisch von Frankreich trennen müssen. Beides hätte des Übergewicht des Zweibundes gegenüber Russland noch verstärkt und das Zarenreich wäre so vom Wohlwollen des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns abhängig geworden. Auch interessierte sich die russische Öffentlichkeit nicht sonderlich für Persien und den Fernen Osten, so dass militärische Erfolge hier das Zarentum nicht stabilisert hätten. Die deutsche Offerte wurde deshalb abgelehnt. Mit Großbritannien und Japan hingegen verglich sich Russland 1907. Dadurch erhielt es den nördlichen Teil Persiens und der Mandschurei als Einflusszone zugestanden.

Die Triple Entente

Mit Frankreich einigte sich Russland darauf, den in der Militärkonvention von 1893 festgehaltenen Passus bezüglich Großbritanniens zu streichen. Stattdessen sollte sich die französisch-russische Entente ganz auf die Abwehr einer möglichen preußisch-deutschen und österreich-ungarischen Aggression fokussieren. Ab 1907 nahm das Zarenreich dann den Wiederaufbau seines Heeres und seiner Flotte in Angriff. Er sollte bis 1917 abgeschlossen sein. Diese Aufrüstung fraß indessen den Staatshaushalt auf. So blieben für die zivile Modernisierung Russlands kaum Mittel übrig.

Die Balkankriege

Dies verschärfte die innere Krise des Zarismus zusätzlich, so dass sich dieser zeitgleich wieder dem Orient zuwandte. Über hiesige Erfolge wollte sich das Regime Nikolaus I. innenpolitisch stabilisieren. Aufgrund der nicht abgeschlossenen Aufrüstung konnte es aber zunächst nur auf Diplomatie setzen. So bemühte sich Russland um Allianzen mit den Balkanstaaten. 1908 konnte das mit Österreich-Ungarn um dessen südslawische Gebiete ringende Serbien als Verbündeter gewonnen werden. Diese Allianz wurde 1912 um Bulgarien erweitert, welches sich von Russland Unterstützung bei seinen Ambitionen auf Makedonien erhoffte. Gegenseitig sich ausschließende Territorialforderungen Sofias und Belgrads sollten dabei dem Schiedsspruch des Zaren unterworfen werden. Dieser Balkanbund, dem sich auch Montenegro und Griechenland anschlossen, entriss noch im selben Jahr dem Osmanischen Reich sämtliche europäische Gebiete mit Ausnahme Konstantinopels.

Nun intervenierten die europäischen Großmächte und drängten Serbien aus dem soeben eroberten albanischen Küstenstreifen nach dem bulgarisch beanspruchten Makedonien ab. Der Balkanbund fiel so 1913 auseinander. Russland stellte sich, da die bulgarischen Ansprüche auf die Meerengen mit seinen eigenen kollidierten, auf die Seite Serbiens. Belgrad konnte mit Hilfe Griechenlands und Rumäniens Bulgarien besiegen. 1913/14 bemühte sich Russland dann um einen neuen, gegen Österreich-Ungarn gerichteten Balkanbund. Er sollte neben Serbien und Rumänien auch Bulgarien und das Osmanische Reich umfassen. Mit Ausnahme Serbiens lehnten die Adressaten die Offerte ab. Belgrad war somit zum letzten Verbündeten des Zarenreiches auf dem Balkan geworden.

Der Erste Weltkrieg

Aus Angst vor seinem Zerfall hatte Österreich-Ungarn 1908 Bosnien-Herzegowina annektiert, die südslawische Frage damit aber nicht lösen können. Die Stärkung Belgrads durch die Balkankriege verschärfte das Problem noch, so dass im Sommer 1914 ein direkter Angriff auf Serbien notwendig schien. Dem aber konnte die russische Regierung nicht tatenlos zusehen. Sie hätte nicht nur ihren Einfluss auf dem Balkan zur Gänze eingebüßt, sondern auch ihren Kredit in der eigenen Öffentlichkeit verspielt. Letzteres hätte wahrscheinlich eine Revolution in Russland ausgelöst. Vor diesem Hintergrund und in Erwartung französischer und britischer Waffenhilfe hielt das Zarenreich zu Serbien. Damit nahm es das Wagnis eines Krieges gegen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich und in Kauf.

Kriegsziel 1: Die Zerschlagung des Deutschen Reiches

Ein Sieg würde Russland erlauben, die Ergebnisse der Einigungskriege wieder rückgängig zu machen. Damit hätte es die von Mitteleuropa ausgehende Gefahr dauerhaft beseitigt. Als Hauptgegner galt dabei das Deutsche Reich. Es sollte mindestens in eine lockere Konföderation umgewandelt werden, noch besser aber in seine Einzelstaaten zerfallen. Besondere Bedeutung kam dabei Preußen zu, welches Deutschland seit 1871 dominiert hatte. Zudem wollte Russland Ostpreußen und Posen annektieren, während Elsass-Lothringen und das Rheinland  an Frankreich fallen sollten.

Kriegsziel 2: Die Umwandlung Österreich-Ungarns

Österreich-Ungarn hingegen sollte als Staat erhalten bleiben, denn St. Petersburg fürchtete, dass die Auflösung des Habsburgerreiches negative Rückwirkungen auf die Nationalitäten in Russland selbst haben würde. Die Donaumonarchie wäre aber deutlich geschwächt worden: Galizien und die Bukowina an Russland sollten an Russland fallen, Bosnien-Herzegowina und Dalmatien an Serbien. Der österreichisch- unagrische Staat wäre in eine Triple-Monarchie umgewandelt worden, mit einem eigenen tschechoslowakischen Teilstaat.

Kriegsziel 3: Die Meerengen

Auch erhob Russland die Forderung nach Abtretung der Meerengen. Diese hatten nämlich nach dem Krimkrieg für Russland ständig an Bedeutung gewonnen. So wickelte das Zarenreich 1914 37% seines Außenhandels über den Bosporus und die Dardanellen ab. Zu diesem Seehandel bestand keine Alternative, da der Überlandhandel weit teurer war. Entsprechend hatte St. Petersburg auch massive wirtschaftliche Verluste erlitten, als die Türkei die Meerengen während der Balkankriege sperrte. Ein solches Szenario sollte für die Zukunft ausgeschlossen werden. Paris und London, im Krimkrieg noch entschiedene Gegner der russischen Expansion, waren nun bereit, Russland im Orient entgegenzukommen. Bedingung war, aus Konstantinopel einen Freihafen zu machen.

Kriegsziel 4: Die Beziehungen zu Frankreich und Großbritannien nach dem Krieg

Für die Zeit nach dem Sieg sollten die guten Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich erhalten bleiben und durch wirtschaftliche Kooperation ausgebaut werden. Problematisch war, dass London und Parisvom Zarenreich die Lieferung von Rohstoffen zu Vorzugspreisen sowie den Import ihrer Fertigwaren zu Präferenzzöllen verlangten. Die Annahme diese Bedingungen musste die eigenständige wirtschaftliche Entwicklung Russlands gefährden.

Der Kriegsverlauf bis 1917

Zu Kriegsbeginn konnte Russland seine im Westen kämpfenden französischen und britischen Verbündeten durch einen Einfall in Ostpreußen entlasten und das österreichisch-ungarische Heer in Galizien schwer schlagen. Die schnelle Entscheidung wurde jedoch nicht erreicht. So begann sich der Krieg in die Länge zu ziehen. Um das Zarenreich zum Separatfrieden zu zwingen, verlegten Berlin und Wien 1915 den Schwerpunkt ihrer militärischen Anstrengungen auf Russland. Tatsächlich durchbrachen sie in Galizien die russische Front und eroberten Polen. Das Zarenreich raffte sich aber im Sommer 1916 nochmals zu einer massiven Offensive zusammen. Gemeinsam mit den Operationen der britischen und französischen Alliierten brachte es den Zweibund an den Rand der Niederlage. Die Wiederaufnahme dieser Materialschlacht im Frühjahr 1917 hätte dem Deutsche Reich und Österreich- Ungarn den Todesstoß versetzt.

Die Februarrevolution

Allerdings waren diese Erfolge unter sehr hohen Opfern erkauft worden. Dies ließ die Kriegsmüdigkeit in Russland rasch anwachsen. Seine Öffentlichkeit begann nicht mehr an den Sieg zu glauben. Auch zweifelte sie die Sinnhaftigkeit weiterer Opfer an. So kam es im März 1917 in St. Petersburg zur Revolution. Der Zar wurde gestürzt und die Republik ausgerufen. Diese konnte sich allerdings nicht stabilisieren und Russland rutschte Stück für Stück ins Chaos ab.

Mit dem Ausgang der Krimkrieges verlor Russlandnicht nur seine bsilang starke Position im Orient, sondern gehörte auch seine Schiedsrichterrolle in deutschen Angelegenheiten der Vergangenheit an. Während die zaristische Regierung bereit war, letzteres zu akzeptieren, wollte sie am Schwarzen Meer die nue Ordnung aber schnellstmöglichst einer Revision unterziehen. Als Hauptgegner dort wurden Großbritannien und Österreich betrachtet, so dass sich St. Petersburg um die Annäherung an das  Frankreichs Napoleons III.bemühte. Als sich dieses 1859 anschickte, die Habsburgermonarchie zu zerschlagen, hielt sich Russland aber zurück. Im Hinblick auf die eigenen Völkerschaften wünschte es nämlich den Erhalt Österreichs. So verweigerte sie Russland seinen Kriegseintritt und trug dazu bei, das konservative Glacis in Mitteleuropa zu erhalten.

Der polnische Aufstand von 1863

Die Niederlage im Krimkrieg hatte die russische Führung dazu bewogen, ihrem Land eine Reformpolitik zu verschreiben. Sie bemühte sich dabei um eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Dies schloss auch Zugeständnisse an die polnische Nationalbewegung ein. Diese Politik scheiterte freilich. Die den Polen gemachten Vergünstigungen riefen im Januar 1863 einen Aufstand hervor. Zu seiner Unterstützung setzte sich Frankreich für die Wiederbelebung der Krimkriegskoalition ein. Tatsächlich konnten Großbritannien und Österreich für Noten an die Adresse St. Petersburgs gewonnen werden. In ihnen wurden weitere Reformen in Polen verlangt. Damit aber endeten die Gemeinsamkeiten. Österreich sah durch eine Intervention in Polen seine Herrschaft über Galizien bedroht. Großbritannien hingegen war nicht länger an einem unabhängigen Polen interessiert.

Russlandfreundlich reagierte nur die preußische Führung unter Bismarck. Sie verurteilte den Aufstand und sagte dem Zarenreich volle Kooperation bei seiner Bekämpfung zu. Tatsächlich konnte die Erhebung von Russland unterdrückt werden. In seinem Nachgang wurde das gesellschaftliche Leben Polens russifiziert. Frankreich wiederum galt abermals als Hort des revolutionären Nationalitätenprinzips. Um diesen einzudämmen, bemühte sich Russland um die erneute Zusammenarbeit mit Preußen und Österreich.

Verschiebung des Gleichgewichtes in Mitteleuropa

Diese war dringend nötig geworden. Beide Staaten hatten Dänemark 1864 Schleswig-Holstein entrissen. Aus russischer Sicht hatten sie sich dabei zu Komplizen der deutschen Nationalbewegung gemacht. Dies ließ den Durchbruch der Nationalliberalen in Deutschland befürchten. Um ihn zu verhindern, wollte St. Petersburg Berlin und Wien auf die Konservierung des politischen Status quo festlegen. Dies aber erwies sich als nicht möglich, da beide nach der Vorherrschaft im Deutschen Bund strebten. Die Eskalation des Konfliktes musste unweigerlich die dortigen Kräfteverhältnisse tangieren: Entweder hätte ein Krieg einen übermächtigen klein- bzw. großdeutschen Staat zur Folge gehabt. Oder aber er endete unentschieden. Dann würde Frankreich in Mitteleuropa die Schiedsrichterrolle übernehmen. Dem Zarenreich fehlten die finanziellen und militärischen Ressourcen, um Preußen wie Österreich zur Räson zu zwingen und Frankreich zu trotzen.

Das Gleichgewicht der Kräfte in Mitteleuropa verschob sich durch den Ausgang der Schlacht bei Königgrätz im Juli 1866 massiv zu Gunsten Preußens. Russland wollte die alten Kräfteverhältnisse wiederherstellen und bemühte sich deshalb um ein Zusammengehen mit Frankreich und Großbritannien: Ein europäischer Kongress sollte Berlin seine territorialen Gewinne wieder nehmen. Die russische Offerte wurde aber von London und Paris abgelehnt und es blieb beim neuen Status quo. Aus russischer Sicht kam es sogar noch schlimmer, denn der Habsburgerstaat gewährte den Magyaren 1867 im Rahmen der neuen Monarchie Österreich-Ungarn einen eigenen Teilstaat, während die galizischen Polen Autonomie erhielten. Russland sah dadurch seine eigene Stellung in Polen unmittelbar gefährdet.

Russisch-Preußische Kooperation

Da sich das Rad der zeit nicht zurückdrehen ließ, suchte Russland auf dem Balkan nach Kompensationen für die machtpolitische Stärkung Preußens. Serbien, Griechenland, Rumänien und Montenegrosollten ihre unter dem osmanischen Joch lebenden Ko-Nationalen befreien und dadurch Russland den Weg durch die Meerengen ebnen. Frankreich stellte sich hierbei als Hauptgegner heraus und versuchte die Donaumonarchie nach den Donaufürstentümern und Serbien abzudränge, wo sie zweifelsohne mit dem Zarenreich zusammenstoßen musste. Als Folge dessen stellten sich Frankreich und Österreich-Ungarn der von Russland betriebenen Revolutionierung der Balkanvölker erfolgreich entgegen. Daher näherte sich Russland Preußen an, welches sich aufgrund der deutschen Frage zeitgleich mit Paris und Wien im Konflikt befand.

Im Juli 1870 brach der Deutsch-Französische Krieg aus. Russland ließ Truppen an der galizischen Grenze aufmarschieren und hinderte die Habsburger daran, Preußen in den Rücken zu fallen. Dies begünstigte den preußischen Sieg über Frankreich und die Ausrufung des deutschen Kaiserreiches im Januar 1871 in Versailles. Bismarck erwies sich als zuverlässig und gab dem Zarenreich Rückendeckung bei dessen Aufkündigung der das Schwarze Meer betreffenden Klauseln des Pariser Friedensvertrages von 1856.

Eine antipreußische Tripelallianz?

Das 1871 aus der Taufe gehobene Deutschen Reich wurde von Russland als überlegene Militärmacht verstanden, welches sich über kurz oder lang gegen die baltischen Provinzen wenden würde. Um Berlin einzudämmen bot sich die Allianz mit Frankreich und Österreich-Ungarn an. Bismarck wiederum erwartete, dass eine solche Triple-Allianz versuchen würde, die Ergebnisse der Einigungskriege wieder rückgängig zu machen. So gedachte er sie bereits in der Entstehungsphase zu torpedieren. Die Donaumonarchie und das Zarenreich sollten durch Garantie der Grenzen von einer antipreußischen Parteinahme abgehalten, Frankreich hingegen militärisch kaltgestellt werden.

Dies führte 1875 zur “Krieg-in-Sicht-Krise”. Sie endete mit einer diplomatischen Niederlage des deutschen Reichskanzlers. So intervenierten die anderen europäischen Großmächte zugunsten Frankreichs. Das befürchtete Bündnis aus Russland, Frankreich und Österreich-Ungarn bildete sich aber nicht. Denn Wien verabschiedete sich von Mitteleuropa und fokussierte sich ganz auf den Balkan, wo es der preußisch-deutschen Unterstützung bedurfte. 1879 schloßen das Deutsche Kaiserreich und Österreich-Ungarn ein gegen Russland und Frankreich gerichtetes Defensivbündnis, den Zweibund.

Die Große Orientalische Krise von 1875

Dem deutsch-österreichischen Bündnisabschluss vorausgegangen war eine erneute Krise im Orient. Hier war es 1875 doch noch zum Aufstand gegen die türkische Herrschaft gekommen. Er breitete sich von der Herzegowina bis nach Bulgarien aus und wurde von der osmanischen Zentralmacht gewaltsam unterdrückt. Damit hätte die Angelegenheit erledigt sein können. Jedoch verlangte die russische Öffentlichkeit vom Zarismus eine militärische Intervention. Hätte der Zar den Forderungen der Gesellschaft nicht nachgegeben, wäre auch seine innenpolitische Autorität schwer beschädigt worden. Eine Revolution wäre so wahrscheinlicher geworden. Hätte die russische Regierung aber wie gefordert eingegriffen, hätte sich eine europäische Koalition gegen sie gebildet. Diese zu besiegen war sie nicht in der Lage. Eine militärische Niederlage würde den revolutionären Kräften im Zarenreich nun ebenfalls Auftrieb gegeben. Der Zar befand sich in einem Dilemma.

Der Berliner Kongress 1878

Der Auswegwar ein begrenzter Feldzug gegen die Türkei und nach seinem Abschluss sollte auf die Bildung eines großbulgarischen Staats unter russischem Protektorat verzichtet werden. Dadurch wären die Interessen der anderen Großmächte nicht tangieren worden. Allerdings verlief der Krieg gegen die Osmanen von 1877/78 sehr erfolgreich und die russischen Truppen stießen bisvor Konstantinopel vor. Zar Alexander II. befand sich auf dem Höhepunkt seiner Popularität. Hätte er nun auf die Schaffung von Großbulgarien verzichtet, wäre es zu einem abrupten Stimmungsumschwung in der russischen Öffentlichkeit gekommen. Dies wollte der Zar nicht riskieren und diktierte der Pforte daher im März 1878 den Frieden von San Stefano, der eben den großbulgarischen Staat begründete.

Dies rief nun Großbritannien und Österreich-Ungarn auf den Plan. Russland sah sich damit der befürchteten Koalition gegenüber. Um einer Niederlage zu entgehen, wandte sich St. Peterburg um Unterstützung an das Deutsche Reich. Dieses stellte sich aber hinter London und Wien. So kam Alexander II. nicht umhin, der Verkleinerung Bulgariens um zwei Drittel zuzustimmen. Auch sollte der Reststaat dem Osmanischen Reich gegenüber tributpflichtig bleiben. Rumänien, Serbien und Montenegro erhielten dagegen die Unabhängigkeit zugesprochen.

Die Dreikaiserpolitik

Der Ausgang der Berliner Verhandlungen wurde von der russischen Gesellschaft als schwere Niederlage empfunden. Die Enttäuschung verwandelte sich in Zorn, der sich gegen den Zaren richten konnte. Um dies zu verhindern, lenkte die amtliche russische Presse ihn gegen das als Verräter gebrandmarkte Deutsche Reich. Dessen Kanzler reagierte besonnen. So waren Bismarck die innenpolitischen Nöte der russischen Regierung bewusst. Ihm war klar, dass es sich allein durch außenpolitische Erfolge in Südosteuropa würde stabilisieren können. Daran war Bismarck interessiert, da seiner Überzeugung nach eine Revolution in Russland eine solche auch in Deutschland nach sich ziehen musste. Daher setzte er auf dem Berliner Kongress gegenüber Großbritannien und Österreich-Ungarn durch, dass der bulgarische Restsstaat zum russischen Protektorat wurde. St. Petersburg wiederum sollte auf dem Balkan eine rote Linie nicht überschreiten und die Meerengen für Russland tabu bleiben.

Tatsächlich akzeptierte die zaristische Regierung diese Position, so dass der Weg zum Abschluss des Dreikaiserbundes von 1881 frei war. Er stellte nämlich die Vereinigung des bulgarischen Fürstentums mit Ostrumelien unter russischer Ägide in Aussicht. Noch wichtiger verhinderte er aus Sicht der zaristischen Regierung das Abdriften des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns in eine gegen Russland gerichtete Koalition mit Großbritannien. Im Gegenzug verzichtete Russland auf die Annäherung an das mit Preußen-Deutschland verfeindete republikanische Frankreich.

Die Bulgarienkrise von 1885

Der russische Zugriff auf Bulgarien war indessen nicht unproblematisch. So scheiterte das Zarenreich an seiner wirtschaftlichen und politischen Durchdringung. Der bulgarische Fürst Alexander von Battenberg verselbständigte sich in der Folge zunehmend. 1885 gelang es ihm, Ostrumelien mit seinem Staat und ohne das Zutun Russlands zu vereinigen.

In St. Petersburg schrillten nun die die Alarmglocken. Es stand zu befürchten, dass sich Bulgarien aus dem russischen Einflussbereich lösen würde. Daher wurde ein Eingreifen nötig. Eine militärische Intervention hätte aber Bismarcks rote Linie überschritten und das Deutsche Reich unweigerlich in eine Koalition mit Großbritannien und Österreich-Ungarn geführt. Daher kam sie nicht in Frage. Russland musste sich also anderweitig um den Sturz Battenbergs bemühen.

Es zog daher seine Militärberater aus Bulgarien just zu dem Zeitpunkt zurück, als der Balkanstaat mit Serbien über Makedonien in den Krieg geriet. St. Petersburg hoffte auf die Niederlage Bulgariens, damit es wieder bei Russland um Schutz nachsuchen würde. Allerdings endete der kurze Krieg mit dem Sieg der Bulgaren, die sich damit des russischen Protektorates entgültig entledigen konnten: 1887 wählte die Sofioter Nationalversammlung den mit Österreich-Ungarn verbundenen Ferdinand von Sachsen-Coburg-Kohary 1887 zum neuen Fürsten.

Der Rückversicherungsvertrag

Das politische St. Petersburg fürchtete erneut den innenpolitischen Autoritätsverlust. Um ihn zu verhindern, griff es gegenüber Bulgarien nun doch zu militärischen Drohgebärden. Das Deutsche Reich konnte durch den Rückversicherungsvertrag von 1887 scheinbar aus der gegnerischen Phalanx herausgelöst werden. So verpflichtete es sich, sich einem russischen Militärengagement in Südosteuropa nicht zu widersetzen. Bismarck konterkarierte dieses Zugeständnis aber, indem er die Bildung der Mittelmeerentente aus Großbritannien, Österreich-Ungarn und Italien forcierte. Deren Zweck war es gerade, Russland auf dem Balkan entgegen zu treten. Gegen diese Übermacht chancenlos, brach die Regierung Alexanders III. ihre Bemühungen um Bulgarien ab.

Die russische Gesellschaft wendet sich gegen das Deutsche Reich

Der Fehlschlag in Bulgarien zerrüttete das Ansehen der zaristischen Regierung weiter. Er stellte darüber hinaus auch die Kooperation mit dem Deutschen Reich in Frage. Diese war in der russischen Öffentlichkeit ohnehin stets höchst unpopulär gewesen. So erblickte der Panslawismus gerade in Preußen-Deutschland den natürlichen Gegner Russlands. Er sollte im Bündnis mit Frankreich bekriegt werden. Entsprechend lancierte die russische Presse Kampagnen gegen Berlin. Sie fanden zunehmend nicht nur im russischen Unternehmertum Resonanz, sondern auch in Regierungskreisen.

Deutsch-russischer Zollkrieg

Indessen verschlechterten sich die deutsch-russischen Beziehungen auch auf wirtschaftlichem Gebiet. Hier war Berlin seit den Einigungskriegen Haupthandelspartner und größter Kreditgeber Russlands. Dies wurde in dem Moment problematisch, als das Deutsche Reich begann, die Verschiebung des Kräfteverhältnisses in Europa zu eigenen Ungunsten zu fürchten. Bismarck begann, die russische Modernisierung zu torpedieren und versuchte, die Einnahmen des Zarenreicheszu minimieren. Dazu behinderte er den Absatz russischen Getreides in Deutschland und stellte auch die Kreditvergabe an St. Petersburg ein. Dies zwang Russland, sich erfolgreich um französische Leihgaben zu bemühen. Trotzdem hielt die Regierung des Zaren an engen Beziehungen zum Deutschen Reich fest, denn ein Bündnis mit Frankreich wäre dem mit Großbritannien verbündeten Zweibund unterlegen gewesen.

Der Ferne Osten nach dem Krimkrieg

Im Fernen Osten verfolgte Russland das Ziel, den einzigen in das eisfreie Meer mündenden sibirischen Strom, den Amur, nicht in die Hände einer fremden Großmacht fallen zu lassen. Dies wurde mit den beiden Opiumkriege der Briten gegen China virulent, so dass russische Truppen nach dem Ende des Krimkrieges vorsorglich das Amur-Gebiet besetzten. 1858/60 trat Peking nun das umstrittene Territorium ab. Hier gründete Russland wenig später Wladiwostok und bemühte sich um Handelsbeziehungen zur Mandschurei, Korea und Japan.

Mittelasien: Kokand, Buchara und Chiwa

In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatte Russland nach und nach Kasachstan unterworfen. Ab Mitte der 1860er Jahre widmete es sich dann der Eroberung der mittelasiatischen Khanate: Kokand fiel 1865, Buchara 1868 und  Chiwa 1873. Durch diese Landnahme stärkte das Zarenreich seine Position gegenüber Persien sowie Afghanistan und bedrohte damit indirekt auch die britische Position in Indien. Ein Feldzug dorthin kam aber aufgrund der militärischen Kräfteverhältnisse nicht in Betracht. Jedoch konnte mit einem solchen geblufft werden. Damit, so die Hoffnung, ließen sich von London andernorts politische Zugeständnisse gewinnen.

Mittelasien: Turkmenistan

Parallel zu den Rückschlägen auf dem Balkan wandte sich St. Petersburg Turkmenistan zu und eroberte dort 1881 Gök Tepe sowie 1884 Merw. Beide Punkte bildeten das Vorfeld Herats. Dessen Besitz galt als entscheidend für einen möglichen Vorstoß auf Britisch-Indien. Großbritannien sah sich daher gezwungen, ganz Afghanistan unter seine Oberhoheit zu bringen. 1885 standen sich russische und britische Truppen an dessen Nordgrenze gegenüber. Indessen waren beide Seiten nicht an einem Krieg interessiert. So wurde 1887 die Bewahrung des Status quo vereinbart. Das Land am Hindukusch verblieb den Briten, Mittelasien hingegen den Russen.