Springe zum Inhalt

Der 1. Seekrieg (1701-1713)

Das spanische Erbe

Der im Sterben liegende Karl II. von Spanien hatte keine Söhne oder Töchter, die ihm hätten nachfolgen können. Deswegen würde sein Erbe an eine seiner drei Schwestern fallen: Die älteste von ihnen war mit Ludwig XIV. verheiratet. Die beiden anderen hingegen mit Kaiser Leopold I. bzw. dem Kurfürsten von Bayern aus dem Hause Wittelsbach. Entscheidend für die Regelung der Thronfolgefrage war die Haltung Englands und der Niederlande: Sie waren daran interessiert, den europäischen Handel mit den spanischen Kolonien auch weiter zu dominieren. Daher wollten sie die gegenwärtigen Kräfteverhältnisse in Europa und in Übersee erhalten wissen. Die Thronfolge des Hauses Wittelsbach schien ihnen dafür am geeignetsten. Die Habsburger sollten als Entschädigung das handwerklich weit fortgeschrittene Flandern, die Bourbonen hingegen das ebenso weitentwickelte Mailand erhalten. Die Franzosen stimmten dieser Regelung 1698 vertraglich zu.

Der spanische Adel, der den kolonialen Handel wieder an sich ziehen wollte, spielte dabei aber nicht mit. Er bewog Karl II. stattdessen, Wittelsbach die Monarchie ungeteilt zu vererben. Der sich anbahnende Konflikt Madrids mit London und Den Haag kam nur deswegen nicht zum Ausbruch, da der wittelsbachische Nachfolger 1699 starb. Die Seemächte präferierten daraufhin die habsburgische Thronfolge: Der jüngerer Sohn Leopolds I., Erzherzog Karl, sollte das spanische Gesamterbe mit Ausnahme Mailands, welches weiter an Frankreich fallen sollte, erhalten. Die Habsburger verweigerten dieser Regelung ihr Plazet: Sie rechneten damit, dass der spanische Adel ohnehin Erzherzog Karl zu seinem König wählen würde. Damit wäre auch Mailand in ihrem Besitz verblieben.

Die Große Allianz von 1701

Karl II. starb im November 1700. Nun zeigte es sich, dass Kaiser Leopold I. und sein Hof die Interessen der Spanier völlig falsch eingeschätzt hatten: Diese bestimmten den Bourbonen Philipp V. zu ihrem neuen Monarchen. Ludwig XIV. erkannte dieses Votum an. Französische Truppen sicherte nun Spaniens europäische Außenbesitzungen Flandern, Mailand und Neapel ab. Den Habsburgern fehlten indessen für eine Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Spanien die militärischen Mittel. Daher wandten sie sich hilfesuchend an England und die Niederlande: Diese, von der Öffnung des spanischen Reiches für französische Kaufleute aufgeschreckt, schlossen mit Wien eine Allianz. Deren Ziel war es, die habsburgische Thronfolge in Spanien abzusichern und das bisherige de-facto Handelsmonopol der Seemächte in Amerika zu erhalten.

Der Krieg in Europa

Die schnelle Entscheidung suchend, wollten Engländer und Niederländer Spanien mit einem Schlag von seinen Kolonien abschneiden. Der im August 1702 erfolgte Angriff auf Cadiz misslang allerdings. Dafür trat Portugal 1703 der anti-bourbonischen Allianz bei und öffnete den Seemächten den Hafen von Lissabon. Diese gewannen damit eine Basis, von der aus sie in das westliche Mittelmeer einfahren konnten. Ab April 1704 unternommene Versuche zur Einnahme von Toulon und Barcelona blieben aber ohne Erfolg.

Die französische Atlantikflotte von Brest war es derweil gelungen, ihrerseits in das Mittelmeer zu segeln und sich vor Toulon mit den dortigen französischen Seeeinheiten zu vereinigen. Zum Zusammenstoß mit der englisch-niederländischen Flotte kam es dann im August 1704 im Zuge der Kämpfe um Gibraltar. Die Seeschlacht, eine der größten des 18. Jahrhunderts, endete mit einem taktischen Unentschieden. Sie wurde aber durch den französischen Rückzug nach Toulon zu einem strategischen Sieg der Seemächte: Diese sicherten sich den Affenfelsen und griffen von dort die bourbonischen Positionen im westlichen Mittelmeerbecken an: Bis 1706 besetzten sie Barcelona, Sardinien und Valencia.

Um den Orienthandel Frankreichs zu unterbrechen, sollte im Sommer 1707 der entscheidende Schlag gegen seine Flotte erfolgen. Der Angriff auf Toulon wurde von den herbeieilenden Österreichern unter Prinz Eugen von Lande her unterstützt. Dermaßen in die Enge getrieben, gaben die Admiräle Ludwigs XIV. ihrer Marine ohne einen Ausbruch versucht zu haben den Befehl zur Selbstversenkung. Den Schlusspunkt unter die größeren Kampfhandlungen in Europa setzten die Engländer mit der im September 1708 erfolgten Einnahme der Baleareninsel Menorca: Von der dortigen Flottenbasis aus konnten ihre Fregatten den Kaperkrieg im westlichen Teil des Mittelländischen Meeres intensivieren.

Der Krieg in Übersee

Im Sommer 1702 waren je ein englisches und französisches Geschwader in See gestochen, um die Karibik in Besitz zu nehmen. Obschon die Engländer im August vor Santa Marta siegten, entschieden sich die spanischen Kolonien für Philipp V. So mussten jene darangehen, die bourbonischen Besitzungen in Amerika Stück für Stück zu erobern. Bis Mai 1703 unternommene Angriffe auf St. Augustine in Florida und Guadeloupe auf den Kleinen Antillen mussten aber abgebrochen werden. Die gegen Kuba und Haiti operierenden englischen Freibeuter von Nassau auf den Bahamas konnten nicht verhindern, dass ihr Stützpunkt im Oktober 1703 von einem französisch-spanischen Detachement niedergebrannt wurde. Danach schwellte der Kampf in der Karibik auf der Ebene von Kaperaktionen weiter. Größere Aktionen sah man nur noch 1708, als die Engländer die spanische Schatzflotte vor Cartagena in Neu Granada aufbrachten, und 1712, als die Franzosen von Martinique aus Raids gegen Montserrat, Antigua, Surinam, Niederländisch-Guyana, St. Eustatius und Curacao durchführten.

Zu einem zweiten Schlachtfeld in Übersee entwickelte sich der Osten des nordamerikanischen Kontinents: Hier stießen die englischen Besitzungen an die französischen Kolonien. 1703/04 hatten die Franzosen Raids gegen Neuengland unternommen. Sie konnten von den Milizen der englischen Kolonien aber eingedämmt werden. Daraufhin verlagerten sich die Kämpfe auf das französische Neuschottland. Hier scheiterten die Engländer 1707 mit der Einnahme des Hauptstützpunktes Port Royal. Er konnte erst im Oktober 1710 besetzt werden. Durch die Eroberung Neuschottlands war der Weg für einen Angriff auf Kanada frei. So zogen die Briten im Frühjahr 1711 etwa 7500 Mann in Boston zusammen, die Québec von der Seeseite hereinnehmen sollten. Eine weitere einige tausend Mann starke Truppe hatte von New York aus über den Lake Champlain nach Montreal vorzugehen. Als aber die Bostoner Truppen aber im St. Lorenz-Golf Schiffbruch erlitten, wurde das Unternehmen abgebrochen.

Der Vergleichsfrieden

Durch die Unterbrechung seiner Handelsrouten nach Übersee und in den Orient geriet Frankreich in eine schwere Wirtschaftskrise. Sie wurde durch die Niederlagen auf dem europäischen Kriegsschauplatz zu Lande noch verschärft. So gingen zwischen 1706 und 1709 Flandern, Mailand und Neapel verloren. 1710 bereiteten sich die Seemächte und Österreich auf den Vorstoß nach Paris vor. Daher war Ludwig XIV. bereit, Spanien wieder herauszugeben.

Da trat die Wende ein: Im Frühjahr 1711 starb mit Joseph der ältere Sohn Leopolds I., der ihm 1705 als Kaiser nachgefolgt war. So fiel nun auch die österreichische Monarchie an Erzherzog Karl und es drohte deren Vereinigung mit dem spanischen Erbe. London und Den Haag wollten dies unbedingt verhindert. Ein Übriges tat der Wahlsieg der Tories in Großbritannien: Sie wollten anstatt in den Krieg in überseeische Unternehmungen investieren. Damit war der Weg zum Frieden von Utrecht von 1713 frei.

In ihm erkannten Großbritannien und die Niederlande Philipp V. als König von Spanien an. Im Gegenzug blieb ihre Dominanz im Handel innerhalb des spanischen Reiches erhalten. Sie wurde sogar noch durch die Gewährung des offiziellen Monopols auf den Sklavenhandel an London ausgebaut. Dieses gewann zudem neue Territorien hinzu: Die wichtigen Seestützpunkte Gibraltar und Menorca wurden britisch. Dazu kam die Hudson Bay mit ihrem einträglichen Pelzhandel, Neufundland mit seinen Fischereigründen und Neuschottland. Damit war Großbritannien der große Gewinner des Krieges. Allerdings konnte auch Frankreich mit dessen Ergebnissen leben, als da es für das Haus Bourbon die spanische Krone gewonnen hatte. Auch benötigte das Land nach den fast ununterbrochenen und kräftezehrenden Kriegen Ludwigs XIV. eine längere Ruhephase. Vor diesem Hintergrund kam es zwischen London und Versailles zu einem langjährigen diplomatischen Einvernehmen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert