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Die Anti-Barrière (1730-1768)

Der Polnische Erbfolgekrieg von 1733

Seit 1730 verhandelte das Zarenreich mit Österreich und Preußen über die Thronfolge in Polen-Litauen und man einigte sich auf den Sohn Augusts II als Nachfolger. Frankreich hingegen wollte wie auch der polnisch-litauische Adel Stanislaw Leszczynski zum neuen König küren. Tatsächlich wählte die Szlachta im September 1733 den letzteren zum neuen polnischen König. Unmittelbar darauf griff Russland militärisch ein und vertrieb den Polenkönig nach Danzig. Im Januar 1734 nahm ein 60.000 Mann starkes russisches Heer die Belagerung der Stadt auf. Ein zu ihrem Entsatz entsandtes französisches Korps wurde zurückgeschlagen. Danzig kapitulierte im Juli und Frankreich stellte die Unterstützung für Leszczynski ein. So wurde der Kursachse August III. neuer polnischer König.

Freilich regte sich im polnisch-liatuischen Adel Widerstand gegen die russische Intervention: Die von ihr getragene “Konföderation von Dzikow” widersetzte sich dem Zarenreich durch guerillaähnliche Methoden. Allerdings konnten weder Schweden, das Osmanische Reich noch Frankreich für militärischen Beistand gewonnen werden. Letzteres erkannte im Oktober 1735 sogar die Thronfolge des russischen Kandidaten in Polen-Litauen an. Auch verpflichtete es sich, alle diplomatischen Aktivitäten in dem Land einzustellen. Der Aufstand der Konföderierten wurde dann bis März 1736 niedergeworfen.

Der Türkenkrieg von 1735

Am Kaspischen Meer hatte sich recht schnell gezeigt, dass die militärische Sicherung der 1723 gemachten Eroberungen deren wirtschaftlichen Wert überstieg. So fiel nach dem Tode Peters I. die Entscheidung, sich sukzessive von ihnen zu trennen: Die kaspische Südküste wurde 1732 wieder an Persien abgetreten. Die Westküste südlich des Flusses Terek folgte 1735.

Dem Osmanischen Reich hingegen erklärte die russische Regierung im September 1735 den Krieg. Sie hoffte einen breiten Zugang auch zum Schwarzen Meer zu gewinnen und in den dortigen Handel einzubrechen. Zugang zu der Region fand das Zarenreich über die Dnjepr- und Don-Mündung sowie die Krim, die beiden Flussmündungen wie eine natürliche Festung vorgelagert war. Im Sommer 1736 wurden Asow und Kinburn besetzt, ein Jahr später Otschakow. Die Krim indessen konnte trotz dreimaliger Einfälle nicht erobert werden. Um ihre Abtretung doch noch zu erzwingen, wandte sich Russland gegen das türkische Herzland und besetzte 1739 die Moldau.

Nun aber stellte sich heraus, dass das Zarenreich seine materiellen Ressourcen überdehnt hatte und eine militärische Wende auf dem osmanischen Kriegsschauplatz schien möglich. Zudem drohte eine Intervention Österreichs und Frankreichs, die beide keine Festsetzung Russlands in den Donaufürstentümern Moldau und Walachei hinnehmen wollten. Aus diesen Gründen suchte die Regierung des Zaren im Oktober 1739 um Frieden nach. In dem in Belgrad unterzeichneten Dokument verzichtete sie auf alle gemachten Eroberungen und akzeptierte damit das vorläufige Scheitern ihrer Orientpolitik.

Der Krieg gegen Schweden von 1741

Militärisch am Schwarzen Meer gebunden konnte Russland nicht in Schweden eingreifen, als seine dortigen Gegner das Land 1738 aus russischer Abhängigkeit lösten und ein Bündnis mit Frankreich schlossen. Mit dessen Unterstützung sowie der des Osmanischen Reiches wollten die „Hüte“ die 1721 verloren gegangenen Ostseeprovinzen zurückerobern und so Schwedens Großmachtstatus wiederherstellen. St. Petersburg konnte das schwedische Militärpotential einstweilen nur durch Allianzen mit Großbritannien und Dänemark von sich ablenken.

Der Frieden von Belgrad gab dem Zarenhof dann wieder volle militärische Handlungsfreiheit an der Ostsee. Daher versuchten Schweden und Frankreich, ihr politisches Ziel eines russischen Rückzugs vom Baltischen Meer durch einen Staatsstreich in St. Petersburg zu erreichen. Dieser brachte  dann zwar die Großfürstin Elisabeth auf den Zarenthron. Diese aber hielt ihr Wort bezüglich der Abtretung der baltischen Provinzen nicht, so dass der Krieg unausweichlich wurde: Im Sommer 1741 eröffnete Schweden die Kampfhandlungen.

Diese verliefen für Stockholm von Anfang an unglücklich. Im September 1741 wurde es in Karelien von den Russen geschlagen. Diese nahmen im August 1742 Helsinki ein. Das restliche Finnland sowie die Aland-Inseln verlor Schweden bis zum Herbst. Nachdem dann im Mai 1743 seine Flotte bei Hangö vernichtet wurde, willigte das skandinavische Land in den Frieden von Abo ein. Es verpflichtete sich, einen russlandfreundlichen König zu wählen. Damit war die hiesige Vorherrschaft Russlands wiederhergestellt.

Die Schlesischen Kriege

Kaum hatte Russland seine Vorfeldkontrolle über die anderen Ostseeanrainer sichergestellt, drohte diese seitens Preußen gestört zu werden. Berlin war durch die 1742 erfolgte Annexion Schlesiens zur mit Frankreich verbundenen Großmacht aufgestiegen. Dadurch bestand die Gefahr, dass Versailles die russische Position in Schweden und Polen-Litauen erneut unterminierte. Um dies zu verhindern drängte das Zarenreich Preußen diplomatisch dazu, seine Allianz mit Frankreich zu lösen. Als dies misslang, erwog der russische Kanzler Bestuzev ein militärisches Eingreifen gegen Friedrich II. Er scheiterte damit aber am Veto der Zarin.

Im September 1745 erging gegen Preußen aber doch noch ein Interventionsbeschluss. Das russische Heer wurde mobilisiert. Man wollte aber nicht ohne Verbündete in den Krieg ziehen. So streckte man Fühler nach Österreich aus. Dieses aber schloss mit Friedrich II. Frieden, so dass das russische Eingreifen ausblieb. Bestuzev bemühte sich aber um den Unterhalt eines starken Heeres. Dieses sollte bei nächster Gelegenheit gegen den Preußenkönig losschlagen. Da sich dessen Finanzierung für die Staatskasse als zu starke Belastung erwies, bemühte sich Bestuzev um britische Hilfsgelder. Tatsächlich erreichte er Mitte 1747 eine erste Zusage. Die wurde aber nach dem Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges 1748 kassiert.

Das anti-preußische Bündnis

Die antipreußische Politik stand vor dem Aus. Dies ließ Russlands Position in Schweden erodieren. Hier errang die russlandfeindliche Partei die Mehrheit im Reichstag. Sie setzte im Mai 1747 ein Bündnis mit Preußen und damit indirekt mit Frankreich durch. Auch emanzipierte sich der eigentlich als russlandfreundlich geltende schwedische Monarch zunehmend von St. Petersburg. Auch plante er die Errichtung eines absolutistischen Regimes nach dem Vorbild Karls XII. Seit März 1749 plante der Zarenhof eine Aktion gegen das skandinavische Land, wollte aber nicht ohne Unterstützung Österreichs und Großbritanniens losschlagen. Als diese ausblieb, stellte die russische Regierung ihre Interventionsbemühungen ein. Für Russland zum Glück scheiterten die absolutistischen Bestrebungen in Schweden aber. Die dortige Lage entspannte sich ganz im Sinne des Zarenreiches.

Der Friede von 1748 erwies sich allerdings als nicht dauerhaft. Schon Mitte der 1750er Jahre zog eine neue internationale Krise herauf. Nun gelang es dem russischen Kanzler, erneut britische Subsidien sicherzustellen und auch innenpolitische Widerstände gegen einen Waffengang mit Preußen zu überwinden. So sollten nach dem Willen Großbritanniens russische Truppen Kurhannover besetzen, um es gegen einen möglichen Angriff Friedrichs II. zu verteidigen. Allerdings verständigte sich London in letzter Minute mit Berlin auf gegenseitig zu wahrende Neutralität. Die Aktion zum Schutze des Stammlandes des britischen Monarchen entfiel somit.

Dennoch wurden die gegen Preußen gerichteten russischen Kriegsvorbereitungen nicht gestoppt. Statt mit Großbritannien schloss das Zarenreich im Frühjahr 1756 eine Allianz mit Frankreich, der auch Österreich und Schweden beitraten. Russischerseits bestand ihr Ziel darin, Preußen Schlesien wieder zu entreißen. Damit sollte der machtpolitische Zustand von vor 1742 widerhergestellt werden. Da die Verbündeten nicht zu massiven Schlägen gegen Friedrich II. in der Lage waren, sollte der Preußenkönig durch einen langen Abnutzungskrieg ermattet werden.

Der Siebenjährige Krieg

Russland eröffnete seinen Kriegseinsatz im Sommer 1757 mit der Invasion Ostpreußens. Die es verteidigenden preußischen Truppen wurden bei Großjägersdorf geschlagen, der strategische Vorteil aber nicht ausgenutzt. Statt Königsberg einzunehmen, zog sich das russische Heer nach Litauen zurück. Die militärische Sicherung der Provinz erfolgte erst durch den Anfang 1758 erfolgten zweiten Einfall. Nun vereinbarten die Verbündeten die finale Demontage Preußens. Jetzt sollte nicht nur Schlesien an Österreich zurückfallen, sondern Kursachsen Halberstadt, Schweden Pommern und Russland Ostpreußen erhalten. Friedrich II. würde lediglich sein brandenburgisches Kernland verbleiben.

Im Sommer 1758 rückte das russische Heer dann über Thorn und Posen auf die Oder vor. Dort sollten sie sich mit den aus Böhmen heranmarschierenden Österreichern vereinigen und dann nach Brandenburg einfallen. Die Preußen schlugen die Russen aber bei Zorndorf und zwangen sie zum Rückzug nach Polen. Die Vereinigung der Alliierten war damit aber nur verschoben worden. Sie gelang im Sommer 1759. Gemeinsam schlugen die russischen und österreichischen Truppen Friedrich II. bei Kunersdorf vernichtend. Nun hätten die Verbündeten in das Herzland des Gegners eindringen und den Krieg damit rasch zu einem Ende bringen können. Stattdessen zerstritten sich ihre Befehlshaber über das weitere Vorgehen. Statt nach Brandenburg zogen sie sich in ihre Winterquartiere zurück. So konnte sich Preußen von seiner Niederlage erholen und ein neues Heer ins Feld stellen.

Das russisch-preußische Bündnis

Zudem zeigten sich jetzt erste Risse in den russischen Kriegsanstrengungen. Das Zarenreich geriet 1759 in eine schwere finanzielle Krise, die sich in den Folgejahren noch verschlimmerte. Zugleich mangelte es an militärischem Nachschub. Der vorhandene konnte nur schwer an die Front gebracht werden und waren nur noch 2/3 des in Polen-Litauen stehenden Heeres einsatzbereit. Es war somit nicht mehr möglich, Friedrich II. einen entscheidenden Schlag zu versetzen oder ihn langsam zu ermatten. Dazu verwehrten Österreich und Frankreich Russland die Annexion Ostpreußens. Auch setzten sie sich über die Unterstützung der kursächsischen Erbfolge für die Schwächung des russischen Einflusses in Polen-Litauen ein. Daher revidierte St. Petersburg seine Politik und setzte bezüglich der Adelsrepublik auf die Stationierung eigener Truppen sowie deren diplomatische Absicherung gegenüber Preußen.

Als Peter III. im Januar 1762 die Nachfolge Elisabeths antrat, war der Weg zum entsprechenden politischen Arrangement frei. Gegen den Verzicht auf sämtliche Ansprüche gegenüber Polen-Litauen wurden dem Preußenkönig alle eroberten Gebiete restituiert. Zudem wurde er durch ein Bündnis in die russische Vorfeldkontrolle integriert. Friedrich II. erkannte die militärische Handlungsfreiheit des Zarenreiches in der Adelsrepublik sowie dessen Recht, dort einen König nach seinem Belieben einzusetzen, an.

Sanssouci machte diese Zugeständnisse, da die russische Kriegsbeteiligung, so widersprüchlich und methodisch langsam sie auch gewesen war, nachhaltigen Eindruck gemacht hatte. Es hatte sich erwiesen, dass Preußen, solange der Focus Russlands auf dem Ostseeraum lag, dem vereinigten Druck des Zarenreiches und Österreichs nicht auf Dauer würde standhalten können. Da die Gegnerschaft Österreichs wegen Schlesien gegeben war, glaubte Friedrich II., den Großmachstatus seines Landes nur durch die Anlehnung an Russland erhalten zu können.

Das Paninsche „Nordische System“

Russland hingegen hatte durch den Frieden mit Preußen sein Hauptziel, die Sicherung seines Einflusses auf Schweden und Polen-Litauen, erreicht. Gegenüber Krakau wurde er sogar mit umfangreichen finanziellen und militärischen Mitteln noch ausgebaut. So erfolgte 1764 die Wahl des Kandidaten der seit 1762 regierenden Zarin Katharina II. zum König der Adelsrepublik. Die mit ihr verbundenen Dissidenten erhielten Zugang zu den Reichstagssitzungen. So trat 1767/68 ein ganz im Sinne Russlands zusammengesetzter Sejm zusammen. Die Zarin erhielt nun auch offiziell das Recht auf Intervention in die polnisch-litauischen Angelegenheiten. Ein 1768 gegen Russland begonnener Aufstand der von einem Teil der Szlachta gebildeten „Konföderation von Bar“ wurde niedergeschlagen.

In Schweden errangen die von Russland finanziell unterstützten „Mützen“ 1765 die Mehrheit im Reichstag. Daraufhin löste sich das skandinavische Land von Frankreich und sanktionierte abermals die verfassungsmäßige Oligarchie. So konnte das Zarenreich weiter auf dessen Innenpolitik einwirken.

Der seit 1764 amtierende Außenminister Panin wollte die russische Vorfeldkontrolle an der Ostsee durch ein gegen Frankreich und Österreich gerichtetes Bündnissystem ergänzen und stärken. Dazu suchte er die Allianz mit dem den Sund kontrollierenden Dänemark und dem Haupthandelspartner Großbritannien. Dieses Unterfangen scheiterte allerdings an der Zurückhaltung Londons sowie Berlins.

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