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Ferner Osten, Persien und Erster Weltkrieg (1891-1917)

Die russisch-französische Allianz

Die Übernahme der Regierungsgeschäfte im Berlin durch Wilhelm II. bedeutete das endgültige Aus für die deutsch-russische Zusammenarbeit. Das das Bündnis mit Großbritannien suchende Deutsche Reich kündigte 1891 den Rückversicherungsvertrag und durchschnitt damit die letzte vertragliche Bindung zum Zarenreich. Alexander III. fürchtete nundie Bildung einer Offensivallianz aus Preußen-Deutschland, Österreich-Unagrn und Großbritannien. Zu Verbesserung seiner Verteidigungsfähigkeit suchte Russland nun eine Defensivallianz mit Frankreich, die 1893 als Zweierentente auch tatsächlich realisert wurde.

Die deutsch-britischen Bündnissondierungen scheiterten indessen. Das Deutsche Reich suchte daher  wieder die Annäherung an Russlan und 1894 wurde ein neuer Handelsvertrag mit St. Petersburg geschlossen. Damit öffnete sich die Möglichkeit, gegen das Osmanische Reich vorzugehen. Inzwischen aber hatte Russland sein Interesse am Fernen Osten wiederentdeckt und überließ den Balkan sich selbst.

Der Ferne Osten: Die Mandschurei und Korea

Im Fernen Osten sollten die finanziellen Mittel für die Modernisierung Russlands erworben werden, um ihm dadurch den machtpolitischen Wiederaufstieg zu ermöglichen. Allerdings wollte das relativ schwache Zarenreich hier Konflikten mit anderen Großmächten aus dem Weg gehen und plante die Durchdringung vor allem Chinas als kommerzielles Unternehmen.

Anders das Verhalten gegenüber Japan, welches Russland nicht als Großmacht betrachtete: Es sollte aus der Mandschurei und Korea verdrängt werden. 1896 erwarb Russland dort die Eisenbahnkonzession und weitere Vorrechte. 1898 pachtete das Zarenreich den eisfreien Hafen von Port Arthur, der an die Transsibirische Eisenbahn angeschlossen wurde. Im Zuge des Boxeraufstandes von 1900 besetzten schließlich russische Trupen die Mandschurei. Für ihren Rückzug verlangte der Zar von China, dem noch immer nominellen Besitzer, weitere Konzessionen in der Mongolei und im Sinkiang.

Der russisch-japanische Krieg

Diesen beachtlichen militärisch-diplomatischen Erfolgen folgte allerdings keine wirtschaftliche Erschließung. Die russische Industrie bot schlicht zu wenig Produkte, um in den Neuerwerbungen einen Absatzmarkt gewinnen zu können. Aus Prestigegründen hielt die russische Machtelite dennoch am Fernen Osten fest. Dies auch dann noch, als sich ab 1903 eine militärische Auseinandersetzung mit Japan ankündigte. Für deren Fall rechnete man in St. Petersburg nämlich mit einem Sieg.

Die Feindseligkeiten zwischen Russland und Japan wurden im Februar 1904 eröffnet. Den Japanern gelang es, Port Arthur einzukesseln und alle Entsatzversuche zu Lande und zur See abzuwehren. Im Januar 1905 musste der Stützpunkt kapitulieren. Danach stießen die Truppen aus dem Land der aufgehenden Sonne nach Norden vor und schlugen die russische Armee in der Schlacht bei Mukden entscheidend. Wenig später erfolgte die Zerschlagung der nach Ostasien entsandten russischen Ostseeflotte in der Seeschlacht von Tsushima. Diese Niederlagen, die im Inland ausgebrochene Revolution und die Schließung des europäischen Kapitalmarkts für russische Anleihen bewogen die zaristische Regierung, um Frieden nachzusuchen. Im folgenden Vertrag von Portsmouth verlor Russland Korea, die Mandschurei und auch Südsachalin.

Persien

Parallel zu den Ereignissen im Fernen Osten hatte Russland auch in Persien versucht, seine politisch-militärische Durchdringung durch eine wirtschaftliche abzuschließen. Zu diesem Zwecke wurde das Nachbarland gegen die Außenwelt abgeschottet. Tatsächlich errang das Zarenreich dort die wirtschaftliche Hegemonialstellung. Seit der Jahrhundertwende wurde diese aber von den Briten bedroht. 1905/06 bot Berlin St. Peterburg dann eine gegen Großbritannien und Japan gerichtete Kontinentalallianz an. Dank dieser hätte es den Kampf um Persien und den Fernen Osten wagen bzw. wiederaufnehmen können.

Der Vertrag von Björkö

Es sprachen allerdings gewichtige Gründe gegen die Annahme des deutschen Angebotes. So hätte die Regierung des Zaren für die Durchsetzung ihrer asiatischen Interessen Truppen aus Europa in den Fernen Osten verlegen müssen. Zudem hätte sie sich bündnispolitisch von Frankreich trennen müssen. Beides hätte des Übergewicht des Zweibundes gegenüber Russland noch verstärkt und das Zarenreich wäre so vom Wohlwollen des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns abhängig geworden. Auch interessierte sich die russische Öffentlichkeit nicht sonderlich für Persien und den Fernen Osten, so dass militärische Erfolge hier das Zarentum nicht stabilisert hätten. Die deutsche Offerte wurde deshalb abgelehnt. Mit Großbritannien und Japan hingegen verglich sich Russland 1907. Dadurch erhielt es den nördlichen Teil Persiens und der Mandschurei als Einflusszone zugestanden.

Die Triple Entente

Mit Frankreich einigte sich Russland darauf, den in der Militärkonvention von 1893 festgehaltenen Passus bezüglich Großbritanniens zu streichen. Stattdessen sollte sich die französisch-russische Entente ganz auf die Abwehr einer möglichen preußisch-deutschen und österreich-ungarischen Aggression fokussieren. Ab 1907 nahm das Zarenreich dann den Wiederaufbau seines Heeres und seiner Flotte in Angriff. Er sollte bis 1917 abgeschlossen sein. Diese Aufrüstung fraß indessen den Staatshaushalt auf. So blieben für die zivile Modernisierung Russlands kaum Mittel übrig.

Die Balkankriege

Dies verschärfte die innere Krise des Zarismus zusätzlich, so dass sich dieser zeitgleich wieder dem Orient zuwandte. Über hiesige Erfolge wollte sich das Regime Nikolaus I. innenpolitisch stabilisieren. Aufgrund der nicht abgeschlossenen Aufrüstung konnte es aber zunächst nur auf Diplomatie setzen. So bemühte sich Russland um Allianzen mit den Balkanstaaten. 1908 konnte das mit Österreich-Ungarn um dessen südslawische Gebiete ringende Serbien als Verbündeter gewonnen werden. Diese Allianz wurde 1912 um Bulgarien erweitert, welches sich von Russland Unterstützung bei seinen Ambitionen auf Makedonien erhoffte. Gegenseitig sich ausschließende Territorialforderungen Sofias und Belgrads sollten dabei dem Schiedsspruch des Zaren unterworfen werden. Dieser Balkanbund, dem sich auch Montenegro und Griechenland anschlossen, entriss noch im selben Jahr dem Osmanischen Reich sämtliche europäische Gebiete mit Ausnahme Konstantinopels.

Nun intervenierten die europäischen Großmächte und drängten Serbien aus dem soeben eroberten albanischen Küstenstreifen nach dem bulgarisch beanspruchten Makedonien ab. Der Balkanbund fiel so 1913 auseinander. Russland stellte sich, da die bulgarischen Ansprüche auf die Meerengen mit seinen eigenen kollidierten, auf die Seite Serbiens. Belgrad konnte mit Hilfe Griechenlands und Rumäniens Bulgarien besiegen. 1913/14 bemühte sich Russland dann um einen neuen, gegen Österreich-Ungarn gerichteten Balkanbund. Er sollte neben Serbien und Rumänien auch Bulgarien und das Osmanische Reich umfassen. Mit Ausnahme Serbiens lehnten die Adressaten die Offerte ab. Belgrad war somit zum letzten Verbündeten des Zarenreiches auf dem Balkan geworden.

Der Erste Weltkrieg

Aus Angst vor seinem Zerfall hatte Österreich-Ungarn 1908 Bosnien-Herzegowina annektiert, die südslawische Frage damit aber nicht lösen können. Die Stärkung Belgrads durch die Balkankriege verschärfte das Problem noch, so dass im Sommer 1914 ein direkter Angriff auf Serbien notwendig schien. Dem aber konnte die russische Regierung nicht tatenlos zusehen. Sie hätte nicht nur ihren Einfluss auf dem Balkan zur Gänze eingebüßt, sondern auch ihren Kredit in der eigenen Öffentlichkeit verspielt. Letzteres hätte wahrscheinlich eine Revolution in Russland ausgelöst. Vor diesem Hintergrund und in Erwartung französischer und britischer Waffenhilfe hielt das Zarenreich zu Serbien. Damit nahm es das Wagnis eines Krieges gegen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich und in Kauf.

Kriegsziel 1: Die Zerschlagung des Deutschen Reiches

Ein Sieg würde Russland erlauben, die Ergebnisse der Einigungskriege wieder rückgängig zu machen. Damit hätte es die von Mitteleuropa ausgehende Gefahr dauerhaft beseitigt. Als Hauptgegner galt dabei das Deutsche Reich. Es sollte mindestens in eine lockere Konföderation umgewandelt werden, noch besser aber in seine Einzelstaaten zerfallen. Besondere Bedeutung kam dabei Preußen zu, welches Deutschland seit 1871 dominiert hatte. Zudem wollte Russland Ostpreußen und Posen annektieren, während Elsass-Lothringen und das Rheinland  an Frankreich fallen sollten.

Kriegsziel 2: Die Umwandlung Österreich-Ungarns

Österreich-Ungarn hingegen sollte als Staat erhalten bleiben, denn St. Petersburg fürchtete, dass die Auflösung des Habsburgerreiches negative Rückwirkungen auf die Nationalitäten in Russland selbst haben würde. Die Donaumonarchie wäre aber deutlich geschwächt worden: Galizien und die Bukowina an Russland sollten an Russland fallen, Bosnien-Herzegowina und Dalmatien an Serbien. Der österreichisch- unagrische Staat wäre in eine Triple-Monarchie umgewandelt worden, mit einem eigenen tschechoslowakischen Teilstaat.

Kriegsziel 3: Die Meerengen

Auch erhob Russland die Forderung nach Abtretung der Meerengen. Diese hatten nämlich nach dem Krimkrieg für Russland ständig an Bedeutung gewonnen. So wickelte das Zarenreich 1914 37% seines Außenhandels über den Bosporus und die Dardanellen ab. Zu diesem Seehandel bestand keine Alternative, da der Überlandhandel weit teurer war. Entsprechend hatte St. Petersburg auch massive wirtschaftliche Verluste erlitten, als die Türkei die Meerengen während der Balkankriege sperrte. Ein solches Szenario sollte für die Zukunft ausgeschlossen werden. Paris und London, im Krimkrieg noch entschiedene Gegner der russischen Expansion, waren nun bereit, Russland im Orient entgegenzukommen. Bedingung war, aus Konstantinopel einen Freihafen zu machen.

Kriegsziel 4: Die Beziehungen zu Frankreich und Großbritannien nach dem Krieg

Für die Zeit nach dem Sieg sollten die guten Beziehungen zu Großbritannien und Frankreich erhalten bleiben und durch wirtschaftliche Kooperation ausgebaut werden. Problematisch war, dass London und Parisvom Zarenreich die Lieferung von Rohstoffen zu Vorzugspreisen sowie den Import ihrer Fertigwaren zu Präferenzzöllen verlangten. Die Annahme diese Bedingungen musste die eigenständige wirtschaftliche Entwicklung Russlands gefährden.

Der Kriegsverlauf bis 1917

Zu Kriegsbeginn konnte Russland seine im Westen kämpfenden französischen und britischen Verbündeten durch einen Einfall in Ostpreußen entlasten und das österreichisch-ungarische Heer in Galizien schwer schlagen. Die schnelle Entscheidung wurde jedoch nicht erreicht. So begann sich der Krieg in die Länge zu ziehen. Um das Zarenreich zum Separatfrieden zu zwingen, verlegten Berlin und Wien 1915 den Schwerpunkt ihrer militärischen Anstrengungen auf Russland. Tatsächlich durchbrachen sie in Galizien die russische Front und eroberten Polen. Das Zarenreich raffte sich aber im Sommer 1916 nochmals zu einer massiven Offensive zusammen. Gemeinsam mit den Operationen der britischen und französischen Alliierten brachte es den Zweibund an den Rand der Niederlage. Die Wiederaufnahme dieser Materialschlacht im Frühjahr 1917 hätte dem Deutsche Reich und Österreich- Ungarn den Todesstoß versetzt.

Die Februarrevolution

Allerdings waren diese Erfolge unter sehr hohen Opfern erkauft worden. Dies ließ die Kriegsmüdigkeit in Russland rasch anwachsen. Seine Öffentlichkeit begann nicht mehr an den Sieg zu glauben. Auch zweifelte sie die Sinnhaftigkeit weiterer Opfer an. So kam es im März 1917 in St. Petersburg zur Revolution. Der Zar wurde gestürzt und die Republik ausgerufen. Diese konnte sich allerdings nicht stabilisieren und Russland rutschte Stück für Stück ins Chaos ab.

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