Zusammenfassung
Die Außenpolitik Russlands wurde maßgeblich von seiner geographischen Lage zwischen Ostsee, Schwarzem und Kaspischen Meer bestimmt. Dank dieser konnte es in der Zarenzeit versuchen, zur Drehscheibe des Welthandels zu werden.
Peter der Große: Die Ostsee
Der erste Anlauf unter Peter dem Großen scheiterte indessen. So konnte sich das Russische Reich weder am Schwarzen Meer durchsetzen noch über Persien zu den indischen Handelswegen vorstoßen. Infolge dessen richtete der Zarismus seinen Außenhandel auf die Ostsee aus, wo es gelungen war, ein ihn förderndes Staatensystem zu schaffen. Dieses konnte in der Folgezeit gegen französische Subversionsversuche gesichert und sogar ausgebaut werden.
Katharina die Große: Schwarzes und Kaspisches Meer
Nach diesem Erfolg wandte sich die russische Führung unter Katharina der Großen wieder den beiden anderen Binnenmeeren zu. So konnte am Schwarzen Meer ein breiter maritimer Zugang erworben werden. Der Durchbruch in das östliche Mittelmeer kam allerdings aufgrund europäischer Intervention nicht zustande. Auch ein erneutes Ausgreifen am Kaspischen Meer wurde abgebrochen. Die Expansion in den Orient hatte die Folge, dass die russische Stellung an der Ostsee erschüttert wurde. Um sie einigermaßen zu halten, musste sich Russland mit Preußen und Österreich vergleichen.
Alexander I. und Nikolaus I.: Höhepunkt zaristischer Macht
Mit dem Ausgang der Napoleonischen Kriege wurde die beherrschende Stellung Russlands am Baltischen Meer wiederhergestellt. Auch strahlte sein Einfluss auf das gegen Frankreich gerichtete mitteleuropäische Glacis aus. Die so erworbene starke Machtstellung erlaubte es dem Zarenreich, Persien in den eigenen Einflussbereich zu ziehen und erneut nach dem Osmanischen Reich auszugreifen. Letzteres mündete in den Krim-Krieg.
Alexander II. und Alexander III.: Russland in der Defensive
Er endete mit der Niederlage Russlands. Während sie seine Stellung an der Ostsee und am Kaspischen Meer kaum tangierte, schwächte das Ergebnis der Kampfhandlungen die Position des Zarenreiches am Schwarzen Meer und in Mitteleuropa nachhaltig. Infolgedessen konnte St. Petersburg nicht verhindern, dass sich letzteres zu einer überlegenen Macht entwickelte. Das Gleichgewicht der Kräfte konnte nur durch das Bündnis mit dem ehemaligen Hauptgegner Frankreich erhalten werden.
Außenpolitik als Innenpolitik
Trotz des ausgeglichenen Kräfteverhältnisses bemühte sich die russische Regierung weiter um eine offensive Außenpolitik. Diese war nötig geworden, da der Zarismus innenpolitisch unter Druck geraten war. Da Russland aber im Fernen Osten und Persien Rückschläge erlitt und aufgrund der Bedeutung, die ihm die eigene Öffentlichkeit zuerkannte, wurde der Schwarzmeerraum zum neuen Hauptbetätigungsfeld. Dies führte in den Ersten Weltkrieg, welcher bei einem siegreichen Ausgang die bedeutende Stellung des Zarenreiches in Mitteleuropa restituiert und den Durchbruch in das östliche Mittelmeer gebracht hätte. Vor Vollendung dieser Möglichkeiten brach es allerdings 1917 unter den Kriegslasten zusammen.
Die Bolschewiki
Die Machtergreifung der Bolschewiki veränderte den Charakter der russischen Außenpolitik grundlegend. In deren Mittelpunkt rückte nun die Verhinderung eines von den Westmächten getragenen antisowjetischen Kreuzzuges. Diesem Ziel diente der Versuch, Deutschland und Japan gegen die USA, Großbritannien und Frankreich zu lenken. Diese Politik ging nur bedingt auf und führte die UdSSR in einen Existenzkampf mit dem Dritten Reich, aus dem sie allerdings gestärkt hervorging.
Der Kalte Krieg
Nach der Niederwerfung der Achsenmächte sah sich die Sowjetunion dem Westen direkt gegenüber und rechnete mit seinem Angriff. Um das eigene Territorium vor erneuten Kriegseinwirkungen zu schützen, errichtete Moskau in Osteuropa einen breiten Sicherheitsgürtel. Zudem wurde über verschiedene Kanäle versucht, Westeuropa als Aufmarschraum der NATO zu neutralisieren. Entsprechend bemühte sich der Kreml darum, einzelne der hiesigen Staaten aus der transatlantischen Allianz herauszulocken. Er ergänzte diese diplomatischen Schritte durch militärischen Druck. So bedrohte die UdSSR die EG direkt mit ihrer Überlegenheit bei konventionellen Streitkräften und atomaren Mittelstreckenraketen. Indirekt indem sie sich an deren Seehandelslinien zum Persischen Golf festzusetzen versuchte. Zugleich sah sich die Sowjetunion von China herausgefordert, welches durch eine geostrategische Einkreisung kaltgestellt werden sollte. Es stellte sich jedoch heraus, dass die gegenüber dem Reich der Mitte wie auch dem westlichen Europa verfolgte Politik die wirtschaftlichen Kräfte der UdSSR überforderte und daher beendet werden musste.
Das postsowjetische Russland
Anstatt sich aber außenpolitisch zu fangen, implodierte die Sowjetunion und mit ihr die militärische Macht des Kremls. Infolge dessen hatte die Russische Föderation Schwierigkeiten, ihre Vorherrschaft im postsowjetischen Raum aufrechtzuerhalten. Entsprechend konnte der Großmachtstatus nur gesichert werden, wenn es gelang, zum Hauptenergieträgerlieferanten Westeuropas und Chinas aufzusteigen sowie diese für eine gegen die USA gerichtete politische Kooperation zu gewinnen. Im Falle Brüssels scheiterte dieses Unterfangen, im Falle Pekings drohte Moskau in die Rolle des Juniorpartners gedrängt zu werden. Um letzteres zu verhindern, bemühte sich Russland um die engere Zusammenfassung des GUS-Raumes unter seiner Führung. Dies führte aber bezüglich der Ukraine zum Zusammenstoß mit den USA und der EU.
Fazit
Bei der Betrachtung der russischen Außenpolitik werden zwei Kontinuitätslinien deutlich, deren Trennscheide der Krim-Krieg darstellt. Befand sich das Russische Reich bis dahin in der strategischen Offensive, so wandelte sich nach der 1856 erlittenen Niederlage der Grundtenor ins defensive um. Die späten Zaren vermochten nicht mehr darum zu kämpfen, Russland zur Drehscheibe des Welthandels zu machen. Außenpolitik wurde nun zu einem Mittel, um den innenpolitischen Druck abzufedern. Dies führte in den Zusammenbruch von 1917. Die sowjetische Periode der russischen Außenpolitik war ebenfalls von einem defensiven Grundsatz geprägt. So bemühte sich die UdSSR während ihrer ganzen Existenz einem gegen sich gerichteten westlichen Kreuzzug vorzubeugen. Zunächst diplomatisch, zunehmend aber auch mit militärischem Druck. Diese Politik führte allerdings zur Überdehnung der Kräfte und der anschließenden Implosion russischer Weltgeltung. Im Zuge dessen musste die Russische Föderation eine strategisch offensive Außenpolitik vermeiden. Die Grundausrichtung ihrer Geopolitik blieb daher bis zum heutigen Tag defensiv.
Stellt sich abschließend die Frage, ob das heutige Russland für Deutschland eine militärische Gefahr darstellt. Dazu ist zu bemerken, dass die UdSSR trotz ihres hohen Militarisierungsgrades nicht in der Lage gewesen war, China und Westeuropa auf die Knie zu zwingen. Tatsächlich hörte sie seit Mitte der 1980er Jahre auf, für beide eine ernsthafte Bedrohung zu sein. Das militärische Potential des Kremls ist seitdem stark zusammengeschrumpft, er selbst auf den postsowjetischen Raum zurückgeworfen. Unter diesen Umständen scheint es unangebracht, davon auszugehen, dass die Russische Föderation für Westeuropa eine Bedrohung darstellt. Tatsächlich reichen ihre Kräfte gerade dafür aus, den USA und der EU den sicheren Zugriff auf die Ukraine zu verwehren. Von der Auseinanderstzung um dieses Land wird es letztlich abhängen, ob Russland auch in Zukunft seinen Großmachstatus wird halten können oder nicht.